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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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müssen?
    Es hatte doch alles gestimmt. Es war doch perfekt gewesen. Vielleicht hatte er sie sogar schon geliebt.
    Warum hatte sie keine Geduld gehabt? Und kein Vertrauen.
    Er drückte das Gesicht ins Kissen, damit ihn niemand hörte. Das trockene, harte Schluchzen schmerzte ihn in der Brust.
    Sie hatten am Anfang gestanden. Und nicht gewusst, dass das Ende bereits begonnen hatte.
     

Kapitel 7
    Sie lag da wie die anderen Mädchen. Auch ihr Körper wies sieben Stichwunden auf. Ihr Haar war kurz geschnitten, allerdings schien sie es so getragen zu haben. Nirgendwo lagen Strähnen umher. Die weit geöffneten Augen schienen in den Himmel zu starren. Dieser erstaunte Blick. Bei allen vier Opfern. Er war am schwersten auszuhalten.
    Opfer. Häufig stolperte Bert über ein Wort, das er schon Tausende von Malen wie selbstverständlich ausgesprochen hatte. Opfer. Als ginge es hier um blutige Gottesgaben.
    Wir brauchen eine neue Sprache, dachte Bert. Eine Sprache, die keinen Raum lässt für Verwirrung und Unsicherheit. Er wandte sich ab und ging zum Wagen zurück. Sie würden die Ergebnisse der Obduktion abwarten müssen. Bis dahin gab es genug zu tun. Wieder kam die gesamte Maschinerie der Polizeiarbeit in Gang.
    Am schlimmsten war es für ihn, die Angehörigen zu informieren. Darauf konnte man sich nicht vorbereiten. Immer wieder riss es einen von den Füߟen, schwamm man in unbekanntem Gewässer, fand keinen Halt.
    Die Brutalität der ersten Sätze. Die Fassungslosigkeit in den Gesichtern. Die plötzliche Blässe. Und dann die Reaktion. Die einen weinten und schrien, brachen zusammen. Die anderen standen wie erstarrt.
    Das waren die Momente, in denen er sich wünschte, abgebrühter zu sein. Oder sollte er sagen, professioneller? Manchen Kollegen war ein schützender Panzer wie eine zweite Haut gewachsen. Er fragte sich, wie sie das geschafft hatten. Und er beneidete sie.
    Bei der Frühbesprechung heute Morgen hatte der Chef mehrmals von 
unserem Mörder
 geredet. Bert wusste, dass diese Formulierung lediglich eine Floskel war, gedankenlos benutzt, wie es viele Polizeibeamte taten. Trotzdem wäre er am liebsten aufgesprungen, um den Chef zu schütteln.
    Unser Mörder.
 Das klang auf eine furchtbare, falsche Weise familiär. Niemand würde von 
unserer Toten
 sprechen. Auf welcher Seite standen sie?
    Noch wussten sie nicht, wer die Tote war. Sie war jung wie die ersten Opfer, vielleicht jünger. Sie hatte noch immer das Gesicht eines Kindes.
    Welche Verschwendung, dachte Bert. Welche Vergeudung von Schönheit, Jugend und Kraft. Er empfand das bei jedem Mord. Immer wurde etwas genommen, das nicht wieder zurückgegeben werden konnte. Wie viel Hoffnung ging der Welt durch Gewalt verloren, wie viel Liebe und wie viel Glück.
    Darüber sollte eine wie Imke Thalheim schreiben, dachte er. Das sollte den Menschen erzählt werden. Damit sie es nie mehr vergaߟen.
    Die Tote hatte sehr kurze, offenbar abgekaute Fingernägel. Das war ihm sofort aufgefallen. Es hatte ihn ganz besonders angerührt. Auch er selbst hatte früher Nägel gekaut. Man hatte es ihm abgewöhnt.
    Senf auf die Fingerkuppen zu streichen, war eines der Erziehungsmittel gewesen. Sein Vater hatte auch Klebestreifen verwendet und Flüssigkleber. Nachts hatte er ihm die Hände am Bettrahmen festgebunden. Bei Rückfällen hatte er ihn zur Strafe unter die kalte Dusche gestellt.
    Und ihn verprügelt. Immer und immer wieder.
    Noch heute nannte der Vater das eine harte Schule. Noch immer war er davon überzeugt, nur das Beste gewollt zu haben.
    Wer sein Kind liebt, der züchtigt es.
    Ob dieses Mädchen eine ähnliche Geschichte hinter sich hatte? Bert vermutete es. In all den Jahren, in denen er seinem Beruf nachging, hatte er sich einen Blick angewöhnt für die Geschlagenen. Und dieses Mädchen gehörte dazu.
    Während er ins Büro zurückfuhr, grübelte er darüber nach, welche Verbindungslinie sich zwischen den vier toten Mädchen ziehen lieߟ. Es gab sie, da war er sich sicher. Er musste sie nur finden.
     
    Nach langen Diskussionen hatten Merle und ich beschlossen, zur Polizei zu gehen. Wir hatten vergeblich versucht, Caros Eltern zu erreichen, aber eigentlich hatten wir Caro dort nicht vermutet.
    Merle hatte mich schlieߟlich mit ihrer Besorgnis angesteckt. Es war eine unausgesprochene Regel in unserer Wohngemeinschaft, dass man den anderen Bescheid sagte, wenn man über Nacht wegblieb. Hatte man es vergessen, rief man von unterwegs an. Caro war jetzt

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