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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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gesagt, wieder und immer wieder, und jedes Mal war es gewesen, als hätte sie ihm ein Messer in den Bauch gestoߟen.
    Entweiht. Entweiht. Entweiht.
    Sie war nicht mehr sein Mädchen gewesen. Sie hatte alles in den Dreck gezogen.
     

Kapitel 8
    Der Kommissar hatte uns nach Hause gefahren. Merle hatte kein Wort mehr von sich gegeben. Sie war immer noch kreideweiߟ. Ich wollte sie in ihr Zimmer bringen, damit sie sich ein bisschen hinlegte, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich dreh durch«, flüsterte sie. »Lass mich nicht allein, Jette. Allein dreh ich durch.«
    Es gelang mir schlieߟlich, sie zu überreden, sich auf das Sofa in der Küche zu legen. Sie lieߟ sich von mir zudecken und nahm brav den Kräuterschnaps, den ich ihr gab. Er war selbst gemacht. Irgendwer hatte ihn uns mal mitgebracht.
    Merle kippte ihn hinunter und schüttelte sich. »Bäh«, sagte sie wie ein kleines Kind.
    Ich trank ebenfalls einen Schluck, direkt aus der Flasche, doch mir wurde nicht warm davon und auch die ߜbelkeit ging nicht weg.
    »Setzt du dich zu mir?«, fragte Merle mit einer Hoffnungslosigkeit in der Stimme, die mich hilflos machte. Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich.
    »Das war nicht Caro.« Merle nahm meine Hand und quetschte mir die Finger. »So will ich sie nicht in Erinnerung behalten. Das war nicht Caro. Es war bloߟ ihr Schatten, verstehst du?«
    Ich fand, Schatten war das falsche Wort.
    »Oder eher ihre Hülle«, sagte Merle. »Caro selbst hat ihren Körper längst verlassen.«
    Merle las alles, was sie an Literatur über das Leben nach dem Tod in die Finger bekam. Sie war Expertin auf diesem Gebiet und hatte Caro und mir mit ihren unheimlichen Geschichten schon oft schlaflose Nächte beschert.
    »Der ߜbergang in die andere Welt«, sie machte eine bedeutungsvolle Pause, wie immer, wenn sie von dieser anderen Welt sprach, »ist nach einem gewaltsamen Tod besonders schwierig.« Sie sah mich an und in ihren Augen erkannte ich den Schmerz, der in mir selbst rumorte. »Sie war nicht vorbereitet, Jette.«
    »Was meinst du damit?«
    »Sie wurde von einem Moment zum andern aus dem Leben gerissen. Jetzt ist ihre Seele verwirrt. Sie weiߟ nicht, wohin sie gehört.«
    »Hör auf!« War es nicht schlimm genug, dass Caro ermordet worden war? Musste ich mir jetzt auch noch ausmalen, dass sie im Jenseits weiter litt? »Ich will nichts davon wissen.«
    Merle fing wieder an zu weinen. Ich streichelte ihren Arm. Zu mehr war ich nicht fähig. Sobald der Schock nachlieߟ, das wusste ich, würde ich selbst zusammenbrechen.
    »Soll ich meine Mutter anrufen?«, fragte ich.
    Merle mochte meine Mutter lieber als ihre eigene, das war ein offenes Geheimnis. Ihre Eltern lebten in einem spieߟigen, blitzblank geputzten Reihenhaus in einem spieߟigen, blitzblank geputzten Dorf mit spieߟigen, blitzblank geputzten Friedhofsgärten.
    Sie hatten unsere Wohnung nur ein einziges Mal betreten und wie Schaufensterpuppen in der Diele gestanden und nach Worten gesucht. Die sie nicht gefunden hatten. Nicht mal beim gemütlichen Kaffeetrinken in der Küche, für das wir extra einen Kuchen gebacken hatten.
    Hinterher hatten sie Dampf abgelassen. Die Wohnung war ihnen nicht sauber genug gewesen. Caro hatten sie asozial gefunden. Und ich war in ihren Augen ein verwöhnter Fratz. Merle hatte sie nicht wieder eingeladen.
    »Ja.« Sie nickte. »Ruf sie an. Jetzt gleich.«
    Wir waren im Begriff, meiner Mutter einen Haufen Verantwortung aufzubürden. Aber waren Mütter nicht eigentlich dafür da? Darüber dachte ich nach, als ich die Nummer wählte. Doch als ich dann die Stimme meiner Mutter hörte, war ich plötzlich wieder vier oder fünf. Mir war etwas Ungeheuerliches zugestoߟen, und ich brauchte Trost.
    Ich brachte es kaum über die Lippen.
    Caro. Ist. Tot.
    Der Satz klang, als hätte ein anderer ihn gesagt. Als würde ich ihn nur zitieren. Er hatte nichts mit mir zu tun. Und nichts mit Caro und Merle.
    Aber wir waren in diesem schrecklichen Haus gewesen. Ich hatte gesehen, dass Caro tot war. Ich musste es nur noch begreifen.
    Irgendwie gelang es mir, meiner Mutter alles zu erzählen. Ich setzte mich wieder zu Merle und wir warteten.
    Es dauerte keine halbe Stunde, bis es klingelte. Wir liefen beide zur Tür. Als könnten wir schon beim Drücken des Summers Erlösung finden.
    Meine Mutter nahm uns in die Arme, Merle rechts, mich links. Sie weinte mit uns. Die Wimperntusche zog schiefe Spuren auf ihren Wangen. Sie hatte

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