Der Erdbeerpfluecker
so lebendig sein.
Ihm selbst war im Grunde gleichgültig, was die Presse schrieb. Nur dem Chef nicht. Bert hatte manchmal den Verdacht, dass der Chef den Erfolg seiner Leute ausschließlich am Pressespiegel ablas. Der Chef war nicht nur eitel. Er war auch enorm ehrgeizig.
Bert trank seinen Kaffee, gab Margot einen Kuss und ging in die Garage. Die Kinder waren schon in der Schule. Nachdem Bert bis in die Nacht hinein gearbeitet hatte, war er heute Morgen eine Stunde später aufgestanden.
»Du musst mit deinen Kräften haushalten«, hatte Nathan ihm erst vor kurzem wieder gesagt. »Ich mache keine Witze, Bert. Du bist der perfekte Risikopatient für den Infarkt.«
Nachdem er sich auf Nathans Befehl in einer qualvollen Prozedur das Rauchen abgewöhnt hatte, schleppte er nun sieben Kilo Übergewicht mit sich herum. Kein Wunder, bei seinem Beruf. Er saß den ganzen Tag herum. Ging selten oder nie zu Fuß. Hatte kaum Zeit für ein vernünftiges Mittagessen. Meistens reichte es nur für eine schnelle Mahlzeit bei irgendeinem Imbiss oder für ein belegtes Brötchen in einem Selbstbedienungscafß© (mit viel Remoulade, die unter dem Käse und Schinken hervorquoll). Lauter tote Kalorien. Zu viel Fett. Keine Ballaststoffe.
Nicht, dass er sich über seinen Lebensstil groß Gedanken gemacht hätte. Aber Nathan betete ihm seine Sünden immer wieder vor. Und auch Margot, die sich seit Jahren der Vollwertküche verschrieben hatte.
Der Wagen sprang erst beim dritten Mal an. Wahrscheinlich war die Zündung falsch eingestellt. Oder es kündigte sich ein ernster Schaden an. Sie hatten mit diesem Wagen von Anfang an nur Pech gehabt. Er verschlang ein kleines Vermögen.
Auf dem Weg zur Autobahn versuchte Bert, sich auf die Begegnung mit dem Chef vorzubereiten. Der würde wieder mit der Zeitung wedeln, sie dann auf den Tisch knallen und Bert anstarren, das Gesicht ungesund gerötet. Auch er war ein Infarktkandidat. Sein Blutdruck erreichte an manchen Tagen garantiert Rekordhöhen.
Aber Bert würde sich den Vorwürfen nicht lange aussetzen müssen. Er hatte Caros Eltern für zehn Uhr zu einem Gespräch bestellt. Sie hatten es vorgezogen, ihn im Büro aufzusuchen. Was er verstehen konnte. Denn als er ein zweites Mal zu ihnen gefahren war, um sie über den Tod ihrer Tochter zu informieren, hatte er ihre Wohnung gesehen, ein Anblick, den er nicht so schnell vergessen würde.
Alle Stellflächen in der engen Küche waren mit schmutzigem Geschirr beladen. Die Tapeten und Gardinen waren gelb von Nikotin. Rauch lag in blauen Schwaden über dem Couchtisch im Wohnzimmer.
Bert hatte dort sechs Katzen gezählt, die in den Nischen der Eichenschrankwand schliefen oder sich in die Sessel kuschelten. Eine beobachtete reglos das beleuchtete Aquarium mit seinen grün verschlierten Scheiben.
Caros Mutter, eine dralle, ungepflegte Frau, rauchte eine Zigarette nach der anderen und streichelte dabei unablässig die schwarze Katze, die neben ihr auf dem Sofa lag. Ihr Mann ging im Wohnzimmer hin und her.
»Ich hab gewusst, dass irgendwann so was passiert.« Er wiederholte diesen Satz wie eine Beschwörungsformel.
Berts Fragen zielten ins Leere. Sie konnten oder wollten sie nicht beantworten. Er drängte sie nicht. Bot ihnen einen anderen Gesprächstermin an.
»Aber nicht hier«, hatte Caros Mutter gesagt. Und war wieder in Schweigen versunken.
Auf dem Weg zu seinem Wagen hatte Bert an Caro gedacht. Welche Leistung, diesem Albtraum von einem Milieu zu entkommen. Er hatte eine genaue Vorstellung davon, wie Schuld und Sühne sich in Caros Leben verteilt hatten. Eine Kindheit, wie sie sie erlebt haben musste, überstand man nicht ohne Narben. Tapferes Mädchen, hatte er gedacht.
Er dachte es jetzt wieder, eingefädelt in den zähen Verkehr auf der Autobahn. Wenn man sich den Luxus gönnte, ländlich zu wohnen und in der Stadt zu arbeiten, dann musste man den Preis dafür zahlen. Er machte das Radio an.
Irgendeine dieser neuen synthetischen Gruppen. Er konnte sich ihre Namen nicht merken. Sie sprossen nur so aus dem Boden und verschwanden ebenso schnell wieder von der Bildfläche. Ob Caro diese Art von Musik gemocht hatte? Ob sie gern in die Disko gegangen war? Er beschloss, noch einmal ihre Freundinnen aufzusuchen und sich Caros Zimmer anzusehen.
Alles brauchte seine Zeit. Obwohl ihm das klar war, machte es ihn manchmal fertig, denn jeden Tag konnte der Mörder ein neues Opfer finden.
»Let me tell you something«, sang eine weiche
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