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Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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bekam große Augen. Sie hatte immer noch ein bisschen Rotz auf der Oberlippe. Ihre Unterlippe bebte. Sie holte tief Luft und sagte: »Ich heiße Seserakh.«
    »Seserakh, ich heiße nicht Arha, sondern Tenar.«
    »Tenar«, sagte das Mädchen und drückte ihren Arm noch fester.
    »Nun denn«, meinte Tenar, bemüht, die Situation wieder unter Kontrolle zu haben. »Ich bin einen weiten Weg gekommen, und mich dürstet. Setzen wir uns doch. Und dürfte ich etwas zu trinken haben? Dann können wir reden.«
    »Ja«, sagte die Prinzessin und sprang aus dem Zimmer wie eine Löwin auf der Jagd. Aus den inneren Gemächern drangen Geschrei und Gekreisch und weiteres hastiges Fußgetrappel. Eine der Damen der Prinzessin erschien auf dem Plan. Sie richtete ihren Schleier mit zitternden Händen und plapperte etwas in einem so breiten Dialekt, dass Tenar sie nicht verstehen konnte. »Sprich in der verfluchten Zunge!«, schrie die Prinzessin von drinnen, und die Frau quäkte in bejammernswert gebrochenem Hardisch: »Zu sitzen? Zu trinken? Lady?«
    Zwei Stühle standen sich in der Mitte des dunklen, stickigen Raumes gegenüber. Seserakh stand neben einem von ihnen.
    »Ich würde gern draußen sitzen, im Schatten, über dem Wasser«, sagte Tenar. »Wenn es Euch recht ist, Prinzessin.«
    Die Prinzessin schrie etwas, und die Damen kamen hastig hereingetrippelt und trugen die Stühle hinaus auf den breiten Balkon. Tenar und die Prinzessin nahmen Seite an Seite Platz.
    »So ist es schon besser«, sagte Tenar. Sie kam sich immer noch seltsam dabei vor, wenn sie Kargisch sprach. Zwar hatte sie keine Schwierigkeiten damit, aber sie fühlte sich, als wäre sie nicht sie selbst, sondern jemand anderes, eine Schauspielerin, die sich in einer Rolle gefiel.
    »Ihr mögt das Wasser?«, fragte die Prinzessin. Ihr Gesicht hatte wieder seine normale Farbe erreicht, ein tiefes Cremefarben, und ihre Augen, die jetzt nicht mehr geschwollen waren, strahlten blau-golden oder blau mit goldenen Punkten.
    »Ja. Ihr nicht?«
    »Ich hasse es. Wo ich lebte, gab es kein Wasser.«
    »Ihr lebtet in einer Wüste? Ich habe auch in einer Wüste gelebt. Bis ich sechzehn wurde. Dann überquerte ich das Meer und kam in den Westen. Ich liebe das Wasser, das Meer, die Flüsse.«
    »Ach, das Meer«, sagte Seserakh, wobei sie in sich zusammensackte und den Kopf in die Hände legte. »Oh, wie ich es hasse, wie ich es hasse! Ich habe mir die Seele aus dem Leib gespien. Immer und immer wieder erbrach ich mich. Tagaus, tagein. Ich will das Meer nie mehr sehen!« Sie warf einen kurzen Blick durch die Äste der Weiden auf den gemächlich dahinfließenden, seichten Wasserlauf unter ihnen. »Dieser Fluss ist in Ordnung«, sagte sie misstrauisch.
    Eine Frau brachte ein Tablett mit einem Krug und Bechern, und Tenar trank einen ganzen Becher kühlen Wassers.
    »Prinzessin«, sagte sie, als sie den Becher abgesetzt hatte, »wir müssen uns über eine Menge Dinge unterhalten. Doch zuvörderst: die Drachen sind immer noch weit weg im Westen. Der König und meine Tochter sind ausgezogen, mit ihnen zu sprechen.«
    »Mit ihnen zu sprechen ?«
    »Ja.« Sie hatte eigentlich vorgehabt, mehr zu sagen, unterließ es aber und bat die Prinzessin stattdessen: »Und nun erzählt mir bitte von den Drachen auf Hur-at-Hur.«
    Tenar hatte als Kind auf Atuan erzählt bekommen, es gebe Drachen auf Hur-at-Hur. Drachen in den Bergen, Briganten in den Wüsten. Hur-at-Hur war arm und weit weg, und nichts Gutes kam von dort außer Opalen, Türkisen und Zedernholz.
    Seserakh seufzte tief. Tränen schossen ihr in die Augen. »Ich muss weinen, wenn ich an daheim denke«, sagte sie mit einer solchen Schlichtheit der Gefühle, dass auch Tenar feuchte Augen bekam. »Nun, die Drachen hausen oben in den Bergen, zwei, drei Tagesreisen von Mesreth entfernt. Dort droben gibt es nichts als Felsen und Steine, und niemand behelligt die Drachen, so wie auch sie niemanden behelligen. Doch einmal im Jahr kommen sie herunter. Über einen bestimmten Pfad kommen sie, und zwar auf dem Bauch kriechend. Dieser Pfad ist ganz eben und platt, geglättet von ihren Bäuchen. Sie kommen einmal jedes Jahr, seit dem Anbeginn der Zeit. Der Pfad heißt Drachenpfad.« Sie sah, dass Tenar gespannt lauschte, und fuhr fort, »'s ist ein Tabu, den Drachenpfad zu kreuzen. Man darf keinen Fuß auf ihn setzen, sondern muss ihn in gebührendem Abstand umgehen, südlich der Stätte des Opfers. Die Drachen begeben sich zum Ende des Frühlings auf den

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