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Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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freundlich. »Ich kenne dich. Du bist der Sperber, der Lehrling unseres Zauberers. Ich wollte, du könntest mir ein bißchen von der Zauberkunst erzählen.«
    Er hielt die Augen gesenkt, schaute auf die weißen Blumen, die ihren weißen Rock berührten, und antwortete kaum, denn er war schüchtern und befangen. Aber sie hörte nicht auf zu schwätzen, und ihre offene, sorglose und eigenwillige Art des Redens half ihm, seine Scheu zu überwinden. Sie war groß, fast so groß wie er, und hatte eine gelbliche, nahezu weiße Haut; man erzählte sich, daß ihre Mutter von Osskil oder aus einem anderen fremden Land gekommen sei. Das Haar des Mädchens war lang und glatt und fiel ihm wie eine Kaskade schwarzen Wassers über die Schultern. Ged fand sie ziemlich häßlich, aber es drängte ihn doch, ihr ein Vergnügen zu machen und ihre Bewunderung zu erlangen, ein Gefühl, das immer stärker in ihm wurde, je länger sie redete. Sie brachte ihn dazu, ihr die ganze Geschichte mit dem Nebel und den Kargs zu erzählen; sie hörte ihm zu, als ob sie ihn bewundere, und tat, als sei sie beeindruckt, aber sie lobte ihn mit keinem Wort. Und bald ließ sie auch das Thema fallen und schlug ein anderes an. »Kannst du Vögel und Tiere zu dir rufen?« fragte sie.
    »Ja, das kann ich«, sagte Ged.
    Er wußte, daß in den hohen Felsen über der Wiese ein Falkennest war, und er rief den Namen des Vogels, dem der Falke folgen muß. Er kam, aber er setzte sich nicht auf Geds Handgelenk, wahrscheinlich störte ihn die Gegenwart des Mädchens. Schreie ausstoßend, schlug er die Luft mit seinen mächtigen, ausgebreiteten Schwingen und erhob sich wieder in den Wind.
    »Wie heißt die Zauberformel, die bewirkt, daß ein Falke zu dir kommt?«
    »Es ist eine Formel des Gebietens.«
    »Kannst du auch machen, daß die Toten zu dir kommen?«
    Er dachte, daß sie ihn mit dieser Frage zum Narren hielt, vielleicht weil der Falke ihm nicht ganz gehorcht hatte. Er konnte es nicht ertragen, verspottet zu werden. »Vielleicht könnte ich es, wenn ich wollte«, sagte er mit ganz ruhiger Stimme.
    »Ist es nicht arg schwierig, arg gefährlich, einen Geist heraufzurufen?«
    »Schwierig, bestimmt. Gefährlich?« Er zuckte die Achseln.
    In diesem Augenblick war er fast sicher, Bewunderung in ihrem Blick zu lesen.
    »Kannst du auch Liebestränke machen?«
    »Das ist keine Kunst.«
    »Stimmt«, sagte sie, »jede Dorfhexe kann das. Kannst du auch eine andere Gestalt annehmen, wie dies angeblich richtige Zauberer können?«
    Er hatte wiederum das Gefühl, daß sie ihn verspottete, und er wiederholte: »Vielleicht könnte ich, wenn ich wollte.«
    Jetzt begann sie, ihn zu plagen, sich doch in irgend etwas zu verwandeln, das ihm gefiele, vielleicht in einen Falken, einen Stier, in ein Feuer oder in einen Baum. Er versuchte, sie mit den kurzen, geheimnisvollen Worten hinzuhalten, die sein Meister manchmal gebrauchte, aber sie hörte nicht auf, ihm zuzusetzen, und er wußte nicht, wie er sie loswerden sollte. Außerdem war er selbst nicht sicher, ob er seinen großen Reden glauben konnte oder nicht. Er gab vor, daß sein Meister ihn zu Hause erwarte, und verließ sie, und am nächsten Tag vermied er die Wiese. Aber am übernächsten Tag, nachdem er sich eingeredet hatte, daß er mehr von den Blüten pflücken wolle, solange sie blühten, fand er sich wieder auf der Wiese ein. Das Mädchen war schon da. Barfuß watete sie im sumpfigen Gras, und gemeinsam zupften sie die Blüten der Kelchblume ab. Die Frühlingssonne schien, und das Mädchen plapperte lustig darauf los, genau wie die Mädchen aus seinem Dorf, mit denen er Ziegen gehütet hatte. Wieder fragte sie ihn alles mögliche über die Zauberei aus und machte große Augen zu allem, was er vorbrachte, so daß er schließlich wiederum in die Angeberei verfiel … Dann wiederholte sie ihre Bitte, daß er sich in etwas verwandeln solle, und als er versuchte, sie hinzuhalten, blickte sie ihn herausfordernd an und strich sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht. »Hast du etwa Angst davor?«
    »Nein, ich habe keine Angst davor.«
    Sie lächelte etwas herablassend und meinte: »Vielleicht bist du zu jung.«
    Das war zuviel. Er redete nicht mehr viel, aber er faßte den Entschluß, sich vor ihr zu beweisen. Er sagte ihr, sie solle am nächsten Tag wieder zur Wiese kommen, wenn sie Lust dazu habe, und verabschiedete sich von ihr. Er kehrte nach Hause zurück, als sein Meister noch fort war. Er ging stracks auf das Bücherbrett

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