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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Erscheinungen eigen ist, die ja auch sehen und hören können; irgend etwas jedenfalls, das ihm seine Umgebung nahebrachte.
    »Ich war in Paln«, sagte er zu Ged, »als du in deinem Stolz annahmst, daß du mich beschämt und mir eine Lektion erteilt hättest. Oh, du hast mir eine Lektion erteilt, ganz gewiß, aber nicht die, die du im Sinne gehabt hast! Damals habe ich mir gesagt: ›Jetzt hast du den Tod erlebt, und das genügt. Setz alles dran, um ihn nicht erleiden zu müssen. Laß die blöde Kreatur auf ihrem dumpfen Weg dahinwandern, du stehst über der Natur, du bist besser als sie.‹ Ich wollte diesen Weg nicht beschreiten, ich wollte mein Selbst nicht aufgeben. Und so entschlossen war ich, daß ich die pelnische Kunde wieder zur Hand nahm, doch ich fand darin nur Andeutungen und unzusammenhängende Hinweise. Da setzte ich mich hin und schuf und wirkte meine eigene Formel – die größte Formel, die je gewirkt wurde, die größte und die letzte!«
    »Und durch diese Formel fandest du den Tod.«
    »Jawohl! Ich starb. Ich hatte den Mut zu sterben, um das zu finden, was ihr Feiglinge nie zu suchen gewagt habt: den Weg zurück vom Tode. Ich öffnete die Tür, die seit dem Beginn aller Zeiten geschlossen war. Und jetzt kann ich mich frei bewegen, kann hierbleiben und die Welt der Lebenden betreten, wann es mir gefällt. Unter allen Menschen bin ich der einzige, der Herr über beide Welten ist. Und die Tür, die ich geöffnet habe, steht nicht nur hier offen, sondern im Innern jedes lebenden Menschen, in der Tiefe und den unbekannten Gründen seines Seins, dort, wo wir alle eins sind im Urgrund. Die Menschen wissen das und kommen zu mir. Und die Toten, die müssen zu mir kommen, alle müssen zu mir kommen, denn ich habe die Magie eines Lebenden behalten: sie müssen über die Steinmauer klettern, wenn ich es ihnen gebiete, all die Seelen, die Fürsten, die Magier und die stolzen Frauen, hin und her vom Leben in den Tod und wieder zurück, wie es mir gefällt. Alle sind mir untertan, die Lebenden und die Toten, denn ich bin gestorben und wieder auferstanden!«
    »Und wo treffen sie dich, Cob? Wo bist du?«
    »Zwischen den Welten.«
    »Aber dort ist weder Leben noch der Tod. Was ist Leben, Cob?«
    »Macht.«
    »Was ist Liebe?«
    »Macht«, wiederholte der Blinde schwer und zog seine Schultern in die Höhe.
    »Was ist Licht?«
    »Dunkelheit!«
    »Wie lautet dein wahrer Name?«
    »Ich habe keinen.«
    »Alle, die hier sind, tragen ihren wahren Namen.«
    »Dann sag mir deinen!«
    »Ich heiße Ged. Und du?«
    Der Blinde zögerte, dann sagte er: »Cob.«
    »Das war dein Umgangsname, nicht dein wahrer Name. Wo ist dein Name? Wo ist dein wahres Selbst? Hast du es in Paln gelassen, wo du gestorben bist? Viel hast du vergessen, o Herr über beide Welten! Das Licht, die Liebe und deinen wahren Namen hast du vergessen!«
    »Jetzt habe ich aber deinen Namen und Macht über dich, Ged, den Erzmagier, der Erzmagier gewesen war, als er noch lebte.«
    »Mein Name nützt dir nichts«, sagte Ged. »Du hast keine Macht über mich. Ich lebe. Mein Körper liegt am Strand von Selidor unter der Sonne, auf der sich drehenden Erde. Und wenn der Körper stirbt, dann komme ich hierher, doch nur dem Namen nach, nur als Schatten. Verstehst du das? Hast du das nie begriffen, du, der die Scharen der Toten, die Schatten aus der Unterwelt zu dir heraufbefohlen hast; selbst meinem Herrn Erreth-Akbe, dem weisesten von allen, hast du befohlen, zu erscheinen? Hast du nie begriffen, daß er, selbst er, nur ein Schatten, nur ein Name ist? Sein Tod hat das Leben nicht vermindert, er selbst wurde nicht vermindert durch seinen Tod. Und dort, im Leben – dort ist er! Nicht hier, wo es nur Schatten und Staub gibt. Dort ist er, er ist Erde und Sonnenlicht, Blätter an den Bäumen, Adlerflug! Er lebt. Und alle, die sterben, leben, sie werden wiedergeboren, ihr Leben hört nicht auf, noch wird es je aufhören. Das gilt für alle, doch nicht für dich. Denn du wolltest nicht sterben. Du hast den Tod verloren und damit auch das Leben. Du wolltest dein Selbst retten. Dein Selbst! Dein unsterbliches Selbst! Wer bist du denn nun wirklich?«
    »Ich bin! Mein Körper wird nicht verfaulen und sterben …«
    »Ein lebender Körper leidet Schmerzen, Cob. Ein lebender Körper wird alt und stirbt. Der Tod ist der Preis, den wir für unser Leben, für alles Leben zahlen müssen.«
    »Ich zahle diesen Preis nicht! Ich kann sterben und im gleichen Moment wieder leben! Ich kann

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