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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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außerhalb jeder Zeit liegenden Trübnis kein Vorwärts oder Rückwärts, keinen Osten und keinen Westen, als gäbe es überhaupt keinen Weg. Würden sie hier je wieder herausfinden? Ihm fiel auf, daß sie, gleichgültig, welche Straße sie wählten, immer abwärts gingen und, um die Steinmauer wiederzufinden, nur umkehren und immer bergauf gehen müßten. Doch sie wandten sich nicht um. Nebeneinander schritten sie weiter. Folgte er Ged, oder führte er ihn nicht eher?
    Sie ließen die Stadt hinter sich. Das Land der unzähligen Toten war leer. Weder Baum, noch Dorn, noch Grashalm wuchs auf dem steinigen Boden unter den unbeweglichen Sternen.
    Vor ihnen lag kein Horizont, denn das Auge konnte in diesem Schattenreich nicht weit blicken, doch weiter vorne, über eine große Strecke hinweg, spannte sich ein leerer Himmel, an dem keine kleinen reglosen Sterne hingen, und der von keinen Sternen beleuchtete Grund schien gezackt und gefurcht wie eine Bergkette zu sein. Als sie näher kamen, wurden die Umrisse deutlicher: hohe, schroffe Gipfel, von Wind und Wetter unberührt, ragten in die Höhe. Kein Schnee glitzerte im Sternenlicht, die Berge waren kahl und tiefschwarz. Ihr Anblick rief neues Entsetzen in Arrens Herzen wach. Er wandte den Blick von ihnen ab. Doch er kannte sie, sie waren ihm vertraut, seine Augen wurden unwiderstehlich von ihnen angezogen. Und jedesmal, wenn sein Blick auf sie fiel, fühlte er eine kalte Last auf seiner Brust, und jeder Mut schien ihn zu verlassen. Doch immer weiter führte sie ihr Weg, abwärts, zum Fuß dieser Berge. Endlich sagte er: »Mein Gebieter, was sind …« Er deutete auf die Berge, denn er konnte nicht mehr weiterreden, seine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Sie stehen, wie die Steinmauer, an der Grenze zwischen Licht und Dunkel«, antwortete Ged. »Sie haben keinen Namen. Man nennt sie nur die Pein. Es gibt einen Weg, der darüber führt. Ihn zu beschreiten ist den Toten untersagt. Er ist nicht lang, doch ist er bitterhart.«
    »Ich habe Durst«, sagte Arren, und sein Gefährte erwiderte: »Hier trinkt man Staub.«
    Sie schritten weiter ihres Weges.
    Es kam Arren vor, als ob sein Gefährte die Schritte verlangsamte und manchmal auch zögerte. Er selbst fühlte keine Verzagtheit, obgleich die Müdigkeit nicht verschwunden war, sondern sich merklich verschlimmert hatte. Sie mußten hinunter, sie mußten weitergehen. Und sie setzten ihren Weg fort.
    Manchmal durchquerten sie andere Städte, deren dunkle Dächer sich schräg vom Himmel und den unbeweglichen Sternen abhoben. Hinter den Städten lag wieder leeres Land, wo nichts wuchs. Sobald sie durch eine Stadt geschritten waren, verschwand sie hinter ihnen in der Dunkelheit. Nichts war vor oder hinter ihnen sichtbar, nur die Berge, die immer näher rückten, immer höher ragten. Rechts vor ihnen verlor sich der Hang, der keine Umrisse hatte, in der Tiefe, wie er es getan hatte, seit sie – wie lange war es schon her? – die Steinmauer überstiegen hatten. »Was liegt vor uns?« murmelte Arren, zu Ged gewandt. Es verlangte ihn, einen menschlichen Laut zu vernehmen, doch der Magier schüttelte nur den Kopf. »Ich weiß es nicht, vielleicht ein Weg ohne Ende.«
    Als sie weitergingen, wurde der Weg merklich flacher. Der Boden unter ihren Füßen knirschte laut, wie Lava, die zu grobkörnigem Schutt zerfallen war. Doch immer weiter führte sie der Weg. Jetzt dachte Arren an keine Umkehr mehr, auch nicht, ob sie zurückkehren könnten. Auch an ein Anhalten dachte er nicht mehr, obwohl er todmüde war. Einmal versuchte er, die betäubende Dunkelheit, die Erschöpfung und Furcht, die sein Herz umfangen hielten, zurückzudrängen, und er dachte an seine Heimat, doch er konnte sich nicht mehr erinnern, wie das Sonnenlicht oder das Gesicht seiner Mutter ausgesehen hatten. Es blieb ihm nichts übrig, er mußte weitergehen. Und er ging weiter.
    Er fühlte, wie der Grund unter seinen Füßen eben wurde. Ged, neben ihm, zögerte. Da hielt auch er an. Der lange Abstieg war vorüber: Hier war das Ende. Es gab keinen Weg, der weiter führte, es war nicht nötig weiterzugehen.
    Sie befanden sich in einem Tal am Fuß der Berge, am Fuß der Pein. Der Grund war mit Felsgestein übersät, neben ihnen ragten Felsblöcke scharfkantig in die Höhe. Es schien, als ob dies schmale Tal einst ein Flußbett gewesen wäre, vielleicht hatte es einst Wasser geführt, vielleicht einen Feuerstrom, der längst erkaltet war und den einst die Vulkane, die ihre

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