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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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stand auf der Türstufe. »Falks Arbeit, aber nicht die deine?« fragte sie.
    Er nickte nur und ging weiter über den Hof.
    »Es ist zu spät«, sagte sie, während sie in die Küche zurückging. »Versagt, versagt.« Sie spürte die steifen Falten im Gesicht, neben dem Mund, zwischen den Augen. »Man kann einen Stein gießen, aber er wird nicht wachsen.«
    »Man muß damit anfangen, wenn sie jung und empfindsam sind«, meinte Ged. »So wie ich.«
    Diesmal konnte sie nicht lachen.
    Sie kamen von der Tagesarbeit nach Hause und sahen einen Mann, der am Tor mit Funke sprach.
    »Das ist der Kerl aus Re Albi, nicht wahr?« fragte Ged, der sehr scharfe Augen hatte.
    »Komm mit, Therru«, sagte Tenar, denn das Kind war stehengeblieben. »Welcher Kerl?« Sie war kurzsichtig, kniff die Augen zusammen und blickte über den Hof. »Ach, es ist der Schafhändler, wie heißt er noch – Townsend. Was sucht er hier, dieser Aasgeier?«
    Sie war den ganzen Tag in hitziger Stimmung gewesen, und Ged und Therru schwiegen klugerweise.
    Sie ging zu den Männern am Tor.
    »Bist du wegen der weiblichen Lämmer gekommen, Townsend? Du hast dich um ein Jahr verspätet; aber von den diesjährigen Lämmern sind einige noch im Pferch.«
    »Das hat mir der Hausherr gesagt.«
    »Tatsächlich«, sagte Tenar.
    Funkes Gesicht wurde bei ihrem Ton noch dunkler als sonst.
    »Dann werde ich dich und den Hausherrn nicht stören«, meinte sie und wandte sich ab, als Townsend sagte: »Ich habe eine Botschaft für dich, Goha.«
    »Aller guten Dinge sind drei.«
    »Der alten Hexe, weißt du, der alten Moor, geht es schlecht. Weil ich ins Mitteltal unterwegs war, sagte sie: ›Berichte Mistress Goha, daß ich sie sehen möchte, bevor ich sterbe, wenn sie kommen kann.‹«
    Geier, Aasgeier, dachte Tenar und sah den Überbringer schlechter Nachrichten haßerfüllt an.
    »Sie ist krank?«
    »Todkrank«, bestätigte Townsend mit geziertem Grinsen, das man für Mitgefühl halten sollte. »Wurde im Winter krank, und ihre Kraft nimmt rasch ab, deshalb soll ich dir ausrichten, daß sie dich gern sehen möchte, bevor sie stirbt.«
    »Danke dafür, daß du die Botschaft überbracht hast«, antwortete Tenar ernst und ging zum Haus. Townsend ging mit Funke zu den Pferchen.
    Während sie das Abendessen zubereiteten, sagte Tenar zu Ged und Therru: »Ich muß gehen.«
    »Natürlich«, stimmte Ged zu. »Wenn du willst, gehen wir alle drei.«
    »Tätet ihr das?« Zum erstenmal an diesem Tag wurde ihr Gesicht freundlich, und die Gewitterwolken verzogen sich. »Das … das ist gut … Ich wollte nicht fragen … ich habe gedacht, vielleicht … Therru, möchtest du für einige Zeit in das kleine Haus, Ogions Haus, zurückkehren?«
    Therru blieb stehen, um nachzudenken. »Ich könnte meinen Pfirsichbaum wiedersehen.«
    »Ja, und Heide – und Sippy – und die alte Moor – die arme Alte! Ach, habe ich mich gesehnt, ich habe mich danach gesehnt, dorthin zurückzukehren, aber es schien mir nicht richtig. Der Hof mußte betreut werden – und alles …«
    Es kam ihr so vor, als gebe es noch einen Grund, warum sie nicht zurückgekehrt war, nicht zugelassen hatte, daß sie an eine Rückkehr dachte, bis jetzt nicht einmal gewußt hatte, daß sie sich danach sehnte; aber was immer der Grund war, er entglitt ihr wie ein Schatten, ein vergessenes Wort. »Hat sich überhaupt jemand um Tantchen Moor gekümmert, hat jemand einen Heiler geholt? Sie ist die einzige Heilerin auf dem Oberfell, aber unten in Gonthafen gibt es Leute, die ihr sicherlich helfen können. Die arme Alte! Ich will zu ihr … Es ist zu spät, aber morgen, morgen früh. Der Hausherr kann sich sein Frühstück selbst zubereiten!«
    »Er wird es lernen«, meinte Ged.
    »Das glaube ich nicht. Er wird eine schwachsinnige Frau finden, die es ihm herrichtet.« Sie sah sich mit heißem, grimmigem Gesicht in der Küche um. »Ich finde es schrecklich, ihr die zwanzig Jahre zu hinterlassen, in denen ich diesen Tisch geschrubbt habe. Hoffentlich weiß sie es zu schätzen!«
    Funke brachte Townsend zum Abendessen mit, aber der Schafhändler wollte nicht über Nacht bleiben, obwohl man ihm natürlich mit der üblichen Gastfreundschaft ein Bett anbot. Es wäre eines ihrer Betten gewesen, und Tenar sagte der Gedanke nicht zu. Sie war froh, als er in dem blauen Zwielicht des Frühlingsabends zu seinen Gastgebern ins Dorf zurückkehrte.
    »Wir brechen morgen früh nach Re Albi auf, Sohn«, teilte sie Funke mit. »Falk, Therru und

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