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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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hinauf wie ein Matrose, der er war, und war offenbar mit dem Bett zufrieden, das ihm seine Mutter dort bereitet hatte, denn er kam erst spät am Morgen herunter.
    Er wollte sein Frühstück und erwartete, daß man es ihm vorsetzte. Sein Vater war immer von Mutter, Frau, Tochter bedient worden. War er ein geringerer Mann als sein Vater? Wollte sie es ihm beweisen? Sie setzte ihm seine Mahlzeit vor, räumte nach ihm ab und ging in den Obstgarten zurück, wo sie, Therru und Shandy die Baumweißlingraupen verbrannten, die die frisch gepflanzten Obstbäume befallen hatten.
    Funke verließ das Haus und suchte Reinbach und Tiff auf. Er hielt sich in den nächsten Tagen hauptsächlich bei ihnen auf. Die schwere Arbeit, die Muskeln erforderte, und die Arbeit mit den Kulturen und den Schafen, die Erfahrung erforderte, wurde von Ged, Shandy und Tenar getan, während die beiden alten Männer, die ihr Leben lang hier gewesen waren, die Männer seines Vaters, ihn herumführten, ihm erzählten, wie sie alles schafften, wirklich glaubten, daß sie alles schafften, und diesen Glauben auf ihn übertrugen.
    Tenar fühlte sich elend im Haus. Nur im Freien, bei der Arbeit, vergaß sie den Zorn und die Scham, die Funkes Anwesenheit ihr verursachten.
    »Jetzt bin ich an der Reihe«, sagte sie in der sternenhellen Dunkelheit ihres Zimmers bitter zu Ged. »Ich bin an der Reihe, das zu verlieren, worauf ich am stolzesten war.«
    »Was hast du verloren?«
    »Meinen Sohn. Den Sohn, den ich nicht dazu erzog, ein Mann zu sein. Ich habe versagt. Ich habe ihn im Stich gelassen.« Sie biß sich auf die Lippen und blickte mit trockenen Augen in die Dunkelheit.
    Ged versuchte nicht, mit ihr zu diskutieren oder sie in ihrem Kummer zu trösten. »Glaubst du, daß er bleiben wird?« fragte er.
    »Ja. Er hat Angst, noch einmal zur See zu fahren. Er hat mir nicht die Wahrheit – oder nicht die ganze Wahrheit – über sein Schiff erzählt. Er war zweiter Maat. Wahrscheinlich war er am Transport von Diebesgut beteiligt. Seeräuberei aus zweiter Hand. Das stört mich nicht. Gontische Seeleute sind immer halbe Piraten. Aber er lügt, was das betrifft. Er lügt. Er ist auf dich eifersüchtig. Ein unehrlicher, eifersüchtiger Mann.«
    »Ich nehme an, daß er Angst hat. Er ist nicht schlecht. Und es ist sein Hof.«
    »Dann kann er ihn haben! Möge er zu ihm genauso großzügig sein wie …«
    »Nein, Liebes.« Geds Stimme und Hände hinderten sie daran, weiterzureden. »Sprich nicht! Sag das böse Wort nicht!« Er sprach so drängend, so leidenschaftlich ernst, daß ihr Zorn sich sofort in die Liebe verwandelte, die sein Ursprung war, und sie rief: »Ich würde ihn oder den Hof nie verfluchen! Ich habe es nicht ernst gemeint! Es tut mir nur so leid, ich schäme mich so! Es tut mir leid, Ged!«
    »Nein, nein, nein! Mir ist es gleichgültig, was der Junge von mir hält, mein Liebes. Aber er ist dir gegenüber sehr hart.«
    »Und Therru gegenüber. Er behandelt sie wie … Er hat zu mir gesagt: ›Was hat sie getan, daß sie so aussieht?‹ Was hat sie getan!«
    Ged strich ihr, wie er es oft tat, mit einer leichten, langsamen, unermüdlichen Liebkosung, die beide vor liebevollem Genuß schläfrig machte, über die Haare.
    »Ich könnte wieder Ziegen hüten«, meinte er schließlich. »Das würde es dir hier erleichtern. Bis auf die Arbeit …«
    »Ich möchte lieber mit dir gehen.«
    Er strich ihr weiterhin über das Haar und überlegte. »Das könnten wir tun. Oberhalb von Lissu hüteten zwei Familien die Schafe. Aber dann kommt der Winter …«
    »Vielleicht würde uns ein Bauer einstellen. Ich kenne die Arbeit – und Schafe. Und du kennst die Ziegen – und lernst alles schnell …«
    »Ich kann mich mit einer Mistgabel nützlich machen …«, murmelte er und wurde von ihr mit leisem Lachen belohnt.
    Am nächsten Morgen frühstückte Funke zeitig mit ihnen, denn er ging mit dem alten Tiff fischen. Er stand auf und verkündete freundlicher als gewöhnlich: »Zum Abendessen bringe ich Fische mit.«
    Tenar hatte in der Nacht Entschlüsse gefaßt. »Warte«, sagte sie, »du kannst den Tisch abräumen, Funke. Stell die Teller in die Spüle und gieß Wasser darüber. Wir spülen sie mit dem Geschirr vom Abendessen.«
    Er starrte sie einen Augenblick lang an. »Das ist Frauenarbeit.« Damit setzte er die Mütze auf.
    »Es ist die Arbeit von jedem, der hier in der Küche ißt.«
    »Nicht die meine«, antwortete er entschieden und ging hinaus.
    Sie folgte ihm,

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