Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee
verkäuflich. Ich erwachte in Ketten auf einer Galeere, die Kurs auf Schoul genommen hatte. Er rettete mich, noch ehe die nächste Nacht vergangen war. Die Eisen fielen von uns allen ab wie totes Laub. Und er verdammte Egre dazu, so lange nicht zu sprechen, bis er irgendetwas gefunden hätte, das sagenswert sei... Er kam zu jener Galeere wie ein großes Licht über das Wasser ... Erst da erfuhr ich, was er war.«
Tosla grübelte eine Zeit lang über das soeben Gehörte nach. »Er befreite all die Sklaven von ihren Ketten? Warum haben dann die anderen Egre nicht getötet?«
»Vielleicht brachten sie ihn nach Schoul und verkauften ihn dort«, erwog Lebannen.
Tosla grübelte noch eine Weile länger. »Deshalb also warst du so erpicht darauf, den Sklavenhandel abzuschaffen.«
»Das war einer der Gründe.«
»Verbessert den Charakter in der Regel nicht«, bemerkte Tosla. Er studierte die Karte der Innenländer, die zur Linken des Steuermannes an das Brett gezwickt war. »Das Eiland Weg«, stellte er fest. »Wo das Drachenweib herstammt.«
»Du hältst dich von ihr fern, fällt mir auf.«
Tosla schürzte die Lippen, aber er pfiff nicht, da er an Bord eines Schiffes war. »Du kennst das Lied, das ich erwähnte, von dem Mädchen von Belilo? Nun, ich hielt es stets für nichts mehr denn eine Mär. Bis ich sie sah.«
»Ich bezweifle, dass sie dich fressen würde, Tosla.«
»Es wäre ein glorreicher Tod«, sagte der Seemann ziemlich säuerlich.
Der König lachte.
»Strapaziere nicht dein eigenes Glück«, sagte Tosla.
»Keine Angst.«
»Du und sie, ihr spracht so ungezwungen und locker miteinander. Als würdest du es dir auf einem Vulkan bequem machen, so kam es mir vor ... Aber ich sage dir, ich hätte eher nichts dagegen, ein bisschen mehr von dem Geschenk zu sehen, das die Karg dir geschickt haben. Da steckt etwas drinnen, das es sich anzuschauen lohnt, den Füßen nach zu urteilen. Aber wie kriegst du sie aus dem Zelt raus? Die Füße sind grandios, aber ich hätte gern ein bisschen mehr Fesseln.«
Lebannen spürte, wie seine Miene grimmig wurde, und wandte sich zur Seite, damit Tosla es nicht sah.
»Wenn mir jemand ein solches Päckchen schickte«, fuhr Tosla fort, auf das Meer hinaus starrend, »würde ich es öffnen.«
Lebannen konnte eine leichte Ungehaltenheit nicht verbergen. Tosla sah es; er besaß eine rasche Auffassungsgabe. Er grinste sein schiefes Grinsen und sagte nichts weiter.
Der Schiffer war an Deck gekommen, und Lebannen knüpfte ein Gespräch mit ihm an. »Sieht ein bisschen nach schlechtem Wetter aus, nicht wahr?«, sagte er, und der Schiffer nickte. »Gewitterwolken im Süden und im Westen«, bestätigte er. »Wir werden heute Nacht mittendrin stecken.«
Die See wurde im Lauf des Nachmittags kabbeliger, das milde Sonnenlicht nahm eine messingartige Färbung an, und Windböen bliesen erst aus einer Himmelsrichtung, dann aus einer anderen. Tenar hatte Lebannen darauf vorbereitet, dass die Prinzessin sich vor dem Meer und vor Seekrankheit fürchtete, und er spähte ein- oder zweimal zur Heckkajüte, damit rechnend, keine rot verschleierte Gestalt unter den Enten in einer Reihe zu sehen. Aber Tenar und Tehanu waren hineingegangen; die Prinzessin war noch da, und Irian saß neben ihr. Sie unterhielten sich ernst miteinander. Was in aller Welt hatte ein Drachenweib von Weg mit einer Haremsfrau von Hur-at-Hur zu bereden? Welche Sprache hatten sie gemein? Die Frage schien Lebannen so sehr nach einer Antwort zu heischen, dass er nach achtern ging.
Als er dort auftauchte, blickte Irian zu ihm auf und lächelte. Sie hatte ein robustes, offenes Gesicht und ein breites Lächeln; sie ging am liebsten barfuß, war nachlässig, was ihre Kleidung anbelangte, ließ sich das Haar vom Wind zerzausen. Alles in allem erschien sie einem als nicht mehr denn eine hübsche, temperamentvolle, intelligente, wenn auch ungebildete Bauersfrau - bis man ihre Augen sah. Sie hatten die Farbe von rauchigem Bernstein, und wenn sie Lebannen direkt anschaute, wie sie es jetzt tat, konnte er ihrem Blick nicht standhalten. Er sah zu Boden.
Er hatte deutlich gemacht, dass es auf dem Schiff keine höflichen Zeremonien gab, keine Verbeugungen, Knickse und ähnliche Artigkeiten; niemand brauchte aufzuspringen, wenn er, Lebannen, nahte. Aber die Prinzessin war aufgestanden. Sie hatte, wie Tosla bemerkt hatte, sehr schöne Füße, nicht klein, aber mit einem hohen Rist, kräftig und doch feingliedrig. Er betrachtete sie, die zwei
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