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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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weil sie selbst nach Dingen tasteten, die sich in der dunklen Vergangenheit verloren, der Zeit vor der Erinnerung. Worte aus der Alten Sprache flössen notgedrungen in ihre Sprache ein, und manchmal sprach Onyx ganz in jener Sprache. Aber Seppel antwortete ihm auf Hardisch. Seppel war sparsam mit den Worten der Sprache des Erschaffens. Einmal hielt er die Hand hoch, um Onyx am Weiterreden zu hindern, und auf den überraschten, fragenden Blick des Zauberers von Rok sagte er freundlich: »Zauberwörter wirken.«
    Auch Erles Lehrer Gannet hatte die Wörter der alten Sprache Zauberwörter genannt. »Ein jedes von ihnen ist eine machtvolle Tat«, hatte er gesagt. »Wahre Worte schaffen die Wahrheit.« Gannet war knauserig mit den Zauberwörtern gewesen, die er gekannt hatte. Er hatte sie nur im äußersten Notfall ausgesprochen, und wenn er irgendeine Rune außer den gewöhnlichen geschrieben hatte, so hatte er sie sofort wieder ausgelöscht, kaum dass er sie vollendet hatte. Die meisten Hexer waren ähnlich vorsichtig, sei es, um ihr Wissen für sich zu behalten, sei es, weil sie Respekt vor der Macht der Sprache des Erschaffens hatten. Selbst Seppel mit seinem umfangreichen, überlegenen Wissen und Verständnis dieser Wörter zog es vor, sie im Gespräch nicht zu gebrauchen, sondern bei der gewöhnlichen Sprache zu bleiben, die, wenn sie Lügen und Irrtümer zuließ, auch Ungewissheit und Widerruf gestattete.
    Vielleicht war das ein Teil der großen Wahl gewesen, welche die Menschen in den alten Zeiten getroffen hatten: die angeborene Kenntnis der Alten Sprache, die sie einst mit den Drachen geteilt hatten, aufzugeben. Hatten sie das getan, fragte sich Erle, um eine eigene Sprache zu haben, eine Sprache, die für die Menschheit geeignet war, in der sie lügen, betrügen und schwindeln konnten, und Wunder erfinden, die niemals geschehen waren und niemals geschehen würden?
    Die Drachen sprachen nur die Alte Sprache. Dennoch wurde immer behauptet, dass Drachen logen. War das wirklich so? Wenn Zauberwörter wahr waren, wie konnte dann selbst ein Drache sie aussprechen, um zu lügen?
    Seppel und Onyx waren wieder einmal an einer ihrer langen, gedankenvollen Gesprächspausen angelangt. Als Erle sah, dass Onyx in der Tat halb eingeschlafen war, fragte er den pelnischen Zauberer leise: »Stimmt es, dass Drachen die Unwahrheit mit den wahren Worten sprechen können?«
    Der Mann von Paln lächelte. »Das - so sagen wir auf Paln - ist genau die Frage, die Ath Orm vor tausend Jahren in den Ruinen von Ontuego stellte. >Kann ein Drache lügen?<, fragte der Magier. Und Orm erwiderte: >Nein.< Sprach's und hauchte ihn an und verbrannte ihn zu Asche ... Doch sollen wir die Geschichte glauben, da es ja nur Orm sein kann, der sie hätte erzählen können?«
    Unzählig sind die Argumente von Magiern, sprach Erle bei sich, aber nicht laut, nur in Gedanken.
    Onyx war jetzt eingeschlafen. Sein Kopf war nach hinten gesackt und lehnte gegen das Schott, sein ernstes Gesicht war entspannt.
    Seppel sagte noch leiser als sonst: »Erle, ich hoffe, Ihr bereut nicht, was wir bei Aurun getan. Ich weiß, dass unser Freund denkt, ich hätte Euch nicht deutlich genug gewarnt.«
    Ohne zu zögern sagte Erle: »Ich bin zufrieden.«
    Seppel neigte sein dunkles Haupt.
    »Ich weiß«, fuhr Erle sogleich fort, »dass wir versuchen, das Gleichgewicht zu bewahren. Aber die Mächte der Erde führen ihre eigene Rechnung.«
    »Und ihre Gerechtigkeit ist eine, die für den Menschen nur schwer zu verstehen ist.«
    »So ist es. Ich versuche zu verstehen, warum es nur das war, ich meine, meine Kunst, das ich aufgeben musste, um mich von jenem Traum zu befreien. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
    Seppel brauchte eine Weile, bis er antwortete, und dann tat er es mit einer Frage. »Geschah es nicht mittelst Eurer Kunst, dass Ihr zu der Steinmauer kamt?«
    »Niemals«, sagte Erle mit tiefer Gewissheit. »Ich hatte nicht mehr Macht, dorthin zu gehen, so ich es gewollt hätte, als ich hatte, um mich davor zu bewahren, dorthin zu gehen.«
    »Wie seid Ihr dann dorthin gelangt?«
    »Mein Weib rief mich, und mein Herz drängte zu ihm hin.«
    Es folgte eine lange Pause des Schweigens. Dann sagte der Zauberer: »Andere Männer haben auch ihr geliebtes Weib verloren.«
    »Das sagte ich auch zu meinem Herrn Sperber. Und er sagte darauf: Das ist wahr, und doch ist das Band zwischen wahren Liebenden so eng, wie wir uns dem annähern können, was auf ewig hält.«
    »Jenseits

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