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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Nächsten sein wollten. Abgesehen von einem Mann, der ganz hinten in der Ecke saß und mit offenem Mund schlief. Er hatte den Kopf an die Wand gelehnt. Vermutlich ein Drogenabhängiger. Die blaue Jacke und der Uringestank, der ihm entgegenschlug, waren sichere Anzeichen. Ebenso sicher war es, dass ihm dieser Patient etwas von Schmerzen erzählen und ihn um Tabletten bitten würde.
    Mathias ging zu ihm hinüber und rümpfte die Nase. Schüttelte ihn fest und trat dann rasch wieder einen Schritt zurück. Wer jahrelang auf der Straße gelebt hat und in zugedröhntem Zustand um Geld und Drogen erleichtert worden ist, schlägt oft um sich oder sticht mit irgendetwas zu, wenn er geweckt wird.
    Der Mann öffnete die Augen und sah Mathias Lund-Helgesen mit überraschend klarem Blick an.
    »Was fehlt Ihnen?«, fragte Mathias. Natürlich gebot der Anstand, einem Patienten eine solche Frage erst dann zu stellen, wenn man mit ihm allein war, aber Mathias war müde, und er war die Junkies und Alkoholiker leid, die ihm die Zeit und die Aufmerksamkeit für die anderen Patienten raubten.
    Der Mann zog die Jacke enger um sich, ohne zu antworten. »Hallo! Sie müssen mir schon sagen, warum Sie hier sind.«
    Der Mann schüttelte den Kopf und deutete auf einen der anderen, wie um zu erklären, dass dieser an der Reihe sei.
    »Das hier ist kein Aufenthaltsraum«, sagte Mathias. »Sie dürfen hier nicht schlafen. Gehen Sie! Sofort!«
    »I don’t understand« , sagte der Mann.
    »Leave« , sagte Mathias. » Or I’ll call the police . «
    Mathias spürte zu seiner Überraschung, dass er sich beherrschen musste, diesen stinkenden Junkie nicht von seinem Stuhl zu zerren. Die anderen Wartenden beobachteten sie.
    Der Mann nickte und stand langsam auf. Mathias blieb stehen und sah ihm nach, bis sich die Glastür hinter ihm geschlossen hatte.
    »Nur gut, dass Sie Leute wie den da rausschmeißen«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Mathias nickte abwesend. Vielleicht hatte er es ihr nicht oft genug gesagt. Dass er sie liebte. Vielleicht lag es daran.
     
    *
     
    Es war halb acht und noch immer dunkel draußen vor der Neurochirurgie und dem Zimmer 19, in dem Polizeiobermeister Stranden stand und auf das leere, frisch gemachte Bett von Jon Karlsen starrte. Bald würde dort ein anderer Patient liegen. Ein seltsamer Gedanke. Doch jetzt durfte er selbst bald ins Bett gehen. Und lange schlafen. Er gähnte und vergewisserte sich, dass er nichts auf dem Nachtschränkchen zurückgelassen hatte, nahm die Zeitung vom Stuhl und wandte sich zum Gehen.
    Ein Mann stand in der Tür. Es war Hauptkommissar Hole. »Wo ist er?«
    »Weg«, antwortete Stranden. »Sie haben ihn vor einer Viertelstunde geholt und mit einem Auto weggebracht.«
    »Oh? Wer hat den Befehl dazu gegeben?«
    »Der Oberarzt. Die wollten ihn nicht mehr hierhaben. « »Ich wollte wissen, wer ihn gefahren hat. Und wohin.« »Das war Ihr neuer Dezernatschef, der hier angerufen hat.« »Hagen? Persönlich?«
    »Genau. Und sie haben Jon Karlsen in die Wohnung seines Bruders gebracht.«
    Hole schüttelte langsam den Kopf. Dann ging er.
     
    *
     
    Im Osten begann es langsam zu dämmern, als Harry in der Gørbitzgate,einem löchrigen Asphaltstummel zwischen Kirkeveien und Fagerborggata, die Treppe des rotbraunen Ziegelbaus emporstieg. Er blieb im ersten Stock stehen, wie man ihm über die Sprechanlage an der Tür befohlen hatte. Auf einem blassblauen Plastikstreifen war ein weißer Name eingestanzt: Robert Karlsen. Die Tür war nur angelehnt.
    Harry trat ein und sah sich um. Es war eine kleine Einzimmerwohnung, deren gewaltige Unordnung den Eindruck bestätigte, den man bekam, wenn man Robert Karlsens Büro sah. Gut, es war nicht ausgeschlossen, dass Li und Li ihren Beitrag zu dieser Unordnung geleistet hatten, als sie nach Briefen und anderen Papieren suchten, die ihnen helfen konnten. An der einen Wand hing ein farbiges Jesusbild, und Harry kam plötzlich in den Sinn, dass er – wenn man die Dornenkrone mit einer Baskenmütze vertauschte – aussah wie Che Guevara.
    »Gunnar Hagen hat also beschlossen, Sie hierher zu bringen?«, fragte Harry in Richtung des Rückens, der am Tisch vor dem Fenster saß.
    »Ja«, sagte Jon Karlsen und drehte sich um. »Da der Täter meine Adresse kennt, meinte er, ich sei hier sicherer.«
    »Hm«, brummte Harry und ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Gut geschlafen?«
    »Nicht sonderlich.« Jon Karlsen lächelte verlegen. »Ich habe die ganze Zeit auf Geräusche

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