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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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gelauscht, die gar nicht da waren. Und als ich endlich eingeschlafen war, kam Stranden und hat mich zu Tode erschreckt.«
    Harry nahm einen Stapel Comics von einem Stuhl und setzte sich. »Ich verstehe, dass Sie Angst haben, Jon. Haben Sie sich noch einmal Gedanken gemacht, wer Ihnen nach dem Leben trachten könnte?«
    Jon seufzte. »Ich habe den ganzen letzten Tag an nichts anderes denken können. Aber die Antwort bleibt die gleiche. Ich habe keine Ahnung.«
    »Waren Sie jemals in Zagreb?«, fragte Harry. »Oder in Kroatien? «
    Jon schüttelte den Kopf. »Ich bin nie weiter gekommen als bis nach Schweden oder Dänemark. Und da war ich noch ein Kind.«
    »Kennen Sie irgendwelche Kroaten?«
    »Nur die Flüchtlinge, die bei uns wohnen.«
    »Hm. Haben die Polizisten gesagt, warum sie Sie ausgerechnet hier untergebracht haben?«
    Jon zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich einen Schlüssel für die Wohnung habe. Und sie steht ja nun leer...«
    Harry fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Hier stand eigentlich immer ein PC«, sagte Jon und zeigte auf den Schreibtisch.
    »Wir haben die Wohnung untersucht und ihn mitgenommen«, erwiderte Harry und stand wieder auf.
    »Wollen Sie schon gehen?«
    »Ich muss ein Flugzeug nach Bergen erreichen.«
    »Aha«, sagte Jon und starrte vor sich hin.
    Harry hätte dem schlaksigen jungen Mann gern die Hand auf die schmalen Schultern gelegt.
    Der Zug zum Flughafen hatte Verspätung. Zum dritten Mal hintereinander. »Aufgrund einer Verzögerung«, lautete die vieldeutige Erklärung, die durch die Lautsprecher kam. Øystein Eikeland, Harrys Taxi fahrender und einziger Freund aus der Jugend, hatte Harry einmal erklärt, der Elektromotor eines Zuges sei so einfach aufgebaut, dass sogar seine kleine Schwester ihn zum Laufen bringen könnte. Er meinte, wenn man die Technischen Abteilungen von SAS und NSB bloß für einen Tag austauschen würde, würden alle Züge pünktlich sein und alle Flugzeuge abstürzen. Harry zog den gegenwärtigen Zustand vor.
    Er wählte Gunnar Hagens Durchwahl, nachdem sie den Tunnel vor Lillestrøm passiert hatten.
    »Hier ist Hole.«
    »Das höre ich.«
    »Ich habe Bescheid gegeben, dass Jon Karlsen bewacht werden soll, und nicht, dass er aus dem Krankenhaus entlassen wird.«
    »Letzteres obliegt dem Krankenhaus«, sagte Hagen. »Und Ersteres mir. «
    Harry zählte drei Häuser draußen auf den weißen Feldern, ehe er weitersprach:»Sie haben mich eingesetzt, um diese Ermittlungen zu leiten und die entsprechenden Entscheidungen zu treffen, Hagen.«
    »Ja, aber nicht, um unser Überstundenbudget zu sprengen. Wie Sie wissen, ist es jetzt schon überzogen.«
    »Der Junge hat Todesangst«, sagte Harry. »Und Sie setzen ihn in die Wohnung des ersten Mordopfers, seines eigenen Bruders. Um die paar Hunderter zu sparen, die uns eine Unterbringung in einem Hotel gekostet hätte.«
    Der Lautsprecher verkündete die nächste Haltestelle. »Lillestrøm? « Hagen klang überrascht. »Sind Sie auf dem Weg zum Flughafen?«
    Harry fluchte innerlich. »Ich muss ganz kurz nach Bergen.« »Jetzt?«
    Harry schluckte. »Ich bin heute Nachmittag zurück.«
    »Sind Sie nicht mehr ganz bei Trost, Mann? Wir stehen in diesem Fall unter Beobachtung. Die Presse «
    »Da kommt ein Tunnel«, sagte Harry und schaltete das Telefon aus.
     
    *
     
    Ragnhild Gilstrup wachte langsam auf. Sie hatte geträumt. Es war dunkel im Raum. Sie begriff, dass es Morgen war, konnte aber nicht ausmachen, wo das Geräusch herkam. Es klang wie eine große mechanische Uhr. Aber so eine Uhr hatten sie gar nicht im Schlafzimmer. Sie drehte sich auf die Seite und zuckte zusammen. Im Halbdunkel sah sie eine nackte Gestalt, die reglos am Fußende stand und sie beobachtete.
    »Guten Morgen, Schatz«, sagte er.
    »Mads! Hast du mich erschreckt.«
    »Ach ja?«
    Er hatte anscheinend gerade geduscht. Hinter ihm stand die Tür zum Badezimmer offen, und Wasser tropfte mit leisem Klatschen von seinem Körper aufs Parkett.
    »Stehst du da schon lange?«, fragte sie und wickelte sich in die Decke ein.
    »Wieso?«
    Sie zuckte mit den Schultern, stutzte dann aber. Irgendwie klangseine Stimme anders. So munter, fast neckend. Und dieses angedeutete Lächeln. So war er sonst nie. Sie streckte sich aus und gähnte. Es wirkte gekünstelt, sie bemerkte es selbst.
    »Wann bist du gestern Nacht nach Hause gekommen?«, fragte sie. »Ich bin gar nicht wach geworden.«
    »Du hast wohl den Schlaf der Gerechten

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