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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Mann sich aus dem Schnee gekämpft hatte. Daran, wie der Schnee in Klumpen von seinen Kleidern abgefallen war, an die herabhängenden Arme und das ausdruckslose Gesicht, wie bei den Zombies, die sich in »Die Nacht der lebenden Toten« aus ihren Gräbern erhoben.
    Harry hörte ein Räuspern und drehte sich um. In der Tür des Büros stand Gunnar Hagen mit David Eckhoff.
    »Stören wir?«, fragte Hagen.
    »Kommen Sie herein«, antwortete Harry.
    Die zwei Männer traten ein und nahmen auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz.
    »Wir hätten gerne einen Bericht«, sagte Hagen.
    Ehe Harry fragen konnte, wen Hagen mit »wir« meinte, war Martine wieder am Apparat und diktierte Harry die Telefonnummer. »Danke«, sagte er. »Gute Nacht.«
    »Ich wollte noch fragen, ob ...«
    »Ich habe leider keine Zeit«, sagte Harry.
    »Na dann, gute Nacht.«
    Er legte auf.
    »Wir sind so schnell wie möglich gekommen«, sagte Martines Vater. »Das Ganze ist ja schrecklich. Was ist geschehen?«
    Harry sah zu Hagen.
    »Erzählen Sie es uns einfach«, sagte Hagen.
    Harry beschrieb mit kurzen Worten die missglückte Festnahme, den Schuss auf das Auto und die Verfolgung durch den Park.
    »Aber wenn Sie so nah waren und eine MP5 hatten, warum haben Sie denn dann nicht geschossen?«, fragte Hagen.
    Harry räusperte sich, hielt dann aber inne. Er sah Eckhoff an. »Nun?«, fragte Hagen, zunehmend verärgert.
    »Es war zu dunkel«, antwortete Harry.
    Hagen starrte seinen Hauptkommissar lange an, ehe er fortfuhr: »Er war also spazieren, als Sie in sein Zimmer gegangen sind? Haben Sie eine Idee, warum ein Mörder mitten in der Nacht bei minus zwanzig Grad spazieren geht?«
    Dann senkte der Chef die Stimme. »Ich gehe doch davon aus, dass Sie Jon Karlsen rund um die Uhr bewachen?«
    »Jon?«, fragte David Eckhoff. »Aber der ist doch im Ullevål-Krankenhaus.«
    »Ich habe einen Mann vor seinem Zimmer postiert«, sagte Harry und hoffte, seine Stimme vermittelte den Eindruck, er habe alles unter Kontrolle, obwohl dem nicht so war. »Ich wollte gerade dort anrufen, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. «
     
    *
     
    Die vier ersten Töne von The Clashs »London Calling« piepsten durch die nackten Flure der neurochirurgischen Abteilung des Ullevål-Krankenhauses. Ein Mann mit platt gelegenen Haaren und Morgenmantel ging mit einem Infusionsständer spazieren und warf dem Polizisten im Vorbeigehen einen tadelnden Blick zu, als dieser trotz Handy-Verbot das Gespräch entgegennahm:
    »Stranden.«
    »Hole. Irgendwas Besonderes?«
    »Nichts. Hier läuft ein Typ über den Flur, der nicht schlafen kann. Sieht nicht gerade nett aus, wirkt aber harmlos.«
    Der Patient schlurfte schnaubend weiter.
    »Und sonst am Abend?«
    »Tja, Tottenham hat von Arsenal im White Hart eins drübergekriegt. Und dann hatten wir diesen Stromausfall.«
    »Und der Patient?«
    »Kein Mucks.«
    »Haben Sie überprüft, ob alles in Ordnung ist? «
    »Abgesehen von den Hämorrhoiden sieht es gut aus. «
    Stranden lauschte der unheilverkündenden Stille. »War nur ein Witz. Ich gehe mal rein und sehe nach. Bleiben Sie dran.«
    Im Zimmer roch es nach etwas Süßem. Vermutlich Süßigkeiten, dachte er. Ein Streifen Flurlicht huschte durch den Raum und verlosch, als sich die Tür hinter ihm schloss, doch er konnte das Gesicht auf dem weißen Kissen noch erkennen. Er trat näher. Es war still im Raum. Zu still. Als fehlten gewisse Geräusche. Besser gesagt, ein ganz bestimmtes Geräusch.
    »Karlsen? «
    Keine Reaktion.
    Stranden räusperte sich und sagte noch einmal lauter: »Herr Karlsen! «
    Es war so still dort drinnen, dass Harrys Stimme durch das Handy laut und klar zu hören war: »Was ist da los?«
    Stranden hielt sich das Handy ans Ohr. »Der schläft wie ein Baby.«
    »Sind Sie sicher?«
    Stranden betrachtete das Gesicht auf dem Kissen. Und im gleichen Moment ging ihm auf, was ihn störte. Dass Karlsen wie ein Kind schlief. Erwachsene Männer machten in der Regel mehr Geräusche. Er beugte sich über Karlsens Gesicht, um seinen Atem zu kontrollieren.
    »Hallo!« Harry Holes Rufen hallte leise durch das Handy. »Hallo!«

 
    KAPITEL 16
    Freitag, 18. Dezember. Flüchtling
     
     
    D ie Sonne wärmte ihn, und die leichte Brise ließ die Grashalme auf den Dünen vergnügt auf und ab nicken. Er musste gerade gebadet haben, denn das Handtuch unter ihm war nass. »Schau«, sagte die Mutter und streckte den Arm aus. Er legte die Hand über die Augen und starrte über

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