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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Person zu tun zu haben. Nämlich dieser.«
    Das Bild erstarrte mit der letzten Aufnahme von Christo Stankic. »Hallo! Erde an Mars!«
    Harry erkannte die Stimme von Magnus Skarre. Jemand lachte, und Beate wurde rot.
    »Also, sorry«, lachte Skarre und sah sich vergnügt um. »Das ist doch immer noch dieser Stankic. Science-Fiction ist ja ganz nett,aber bitte – Leute, die hier und da ein bisschen ihre Muskeln anspannen und dadurch unkenntlich werden – ich weiß ja nicht, ist das nicht reichlich weit hergeholt?«
    Harry wollte einschreiten, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen beobachtete er Beate gespannt. Noch vor zwei Jahren hätte sie ein solcher Kommentar so aus der Bahn geworfen, dass er sie anschließend richtiggehend wieder hätte aufbauen müssen.
    »Tja, eigentlich hat dich ja niemand gefragt, Skarre«, sagte Beate, noch immer mit hitzig roten Wangen. »Aber wenn du das so empfindest, muss ich dir wohl ein Beispiel geben, bei dem ich sicher bin, dass auch du es verstehst.«
    »Moment, Moment«, wehrte sich Skarre und hob die Hände. »Das war doch nicht persönlich gemeint, Lønn. «
    »Wenn Menschen sterben, tritt bekanntlich der Rigor mortis ein«, fuhr Beate anscheinend unbeeindruckt fort, aber Harry konnte sehen, dass ihre Nasenflügel geweitet waren. »Die Muskeln im Körper, also auch im Gesicht, erstarren dann. Das ist der gleiche Effekt, wie wenn man sie anspannt. Und was ist die typische Reaktion, wenn die Angehörigen diese Leichen identifizieren sollen?«
    In der Stille, die folgte, war nur das Rauschen des Ventilators im Projektor zu hören. Harry lächelte bereits.
    »Sie erkennen sie nicht wieder«, sagte eine laute, klare Stimme. Harry hatte nicht bemerkt, dass Gunnar Hagen in den Raum gekommen war. »Ein bekanntes Problem im Krieg, wenn gefallene Soldaten identifiziert werden müssen. Sie tragen ja Uniform, und es kommt vor, dass sogar die Kameraden aus der eigenen Truppe auf die Identifikationsmarke schauen müssen, um sicherzugehen.«
    »Danke«, sagte Beate. » Hat dir das ein bisschen auf die Sprünge geholfen, Skarre ? «
    Skarre zuckte mit den Schultern, und Harry hörte jemand auflachen. Beate schaltete den Projektor aus:
    »Die Plastizität oder Mobilität eines Gesichts ist individuell sehr unterschiedlich. Manches kann man sich antrainieren, anderes scheint genetisch bedingt zu sein. Manch einer kann nicht mal zwischen der rechten und linken Seite seines Gesichts unterscheiden, andere hingegen schaffen es mit etwas Training, alle Muskeln unabhängigvoneinander zu bewegen. Wie ein Konzertpianist. Das nennt man dann Hypermobilität oder visage du pantomime . Die wenigen bekannten Fälle deuten darauf hin, dass das vererbt wird oder dass man diese Fähigkeiten bereits als Kind oder Jugendlicher entwickelt hat. Außerdem ist ein extremer Grad von Hypermobilität oft mit einer Persönlichkeitsstörung gekoppelt – oder mit extremen, traumatischen Kindheitserlebnissen.«
    »Sie wollen damit also sagen, dass wir es hier mit einem kranken Mann zu tun haben?«, fragte Gunnar Hagen.
    »Mein Fachgebiet sind die Gesichter, nicht die Psychologie«, sagte Beate. »Aber wir sollten es auf jeden Fall nicht ausschließen. Harry? «
    »Danke, Beate.« Harry stand auf. »Dann wissen wir jetzt also etwas besser, mit wem wir es hier zu tun haben, Leute. Fragen? Ja, Li? «
    »Wie soll man so eine Kreatur schnappen?«
    Harry und Beate sahen sich an. Hagen räusperte sich.
    »Keine Ahnung«, sagte Harry. »Ich weiß nur, dass es nicht vorbei ist, solange er seinen Job nicht zu Ende gebracht hat. Oder wir unseren.«
     
    *
     
    Es war eine Nachricht von Rakel auf dem Anrufbeantworter, als Harry zurück ins Büro kam. Er rief sie sofort an, um gar nicht erst ins Grübeln zu kommen.
    »Wie läuft’s?«, fragte sie.
    »In Richtung Anklagebank«, sagte Harry. Das war ein Ausdruck, den Rakels Vater immer benutzt hatte. Ein Insiderwitz unter den Frontkämpfern nach dem Krieg. Rakel lachte. Das weiche, trillernde Lachen, für das er einmal alles gegeben hätte, wenn er es nur einmal am Tag zu hören bekam. Es wirkte noch immer.
    »Bist du allein?«, fragte sie.
    »Nein, Halvorsen sitzt hier und hört zu. Wie üblich.«
    Halvorsen blickte von den Protokollen der Zeugenaussagen vom Egertorg auf und streckte ihm die Zunge heraus.
    »Oleg braucht jemand zum Reden«, sagte Rakel.
    »Ja und?«
    »Puh, ich hab mich vielleicht ein bisschen blöd ausgedrückt. Nicht irgendjemand. Er braucht

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