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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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erkannte er ihn wieder. Das heißt, er erkannte die Stimme wieder. Und dachte bei sich, wie unglaublich es doch war, was ein Tag ohne die unerlässlichen Stützpfeiler der Zivilisation – wie Rasierapparat, Dusche und acht Stunden Schlaf– aus einem Mann machen konnte.
    Die abrupte Unterbrechung seiner Tagträume mochte der Grund dafür sein, dass sich die beiden so widersprüchlichen Reaktionen Tore Bjørgens in dieser Reihenfolge meldeten: Erst der süße Stich der Begierde. Nach dem Flirt und dem flüchtigen, wenn auch intimen Körperkontakt, den sie gehabt hatten, konnte es ja nur einen Grund dafür geben, dass der Mann wieder hier auftauchte. Dann der Schrecken, als ihm das Bild des Mannes wieder in den Sinn kam, wie er die mit Flüssigseife überzogene, tropfende Pistole in der Hand hielt. Und dann war da ja noch die Tatsache, dass der Polizist, der hier gewesen war, die Geschehnisse mit dem Mord an dem armen Heilsarmeesoldaten in Verbindung gebracht hatte.
    »Ich brauche einen Ort, wo ich wohnen kann«, sagte der Mann.
    Tore Bjørgen blinzelte zweimal. Er konnte es kaum glauben. Da stand er vor einem Mann, der möglicherweise ein Mörder war, jemand, der verdächtigt wurde, einen anderen auf offener Straße niedergeschossen zu haben. Warum hatte er nicht längst alles stehen und liegen lassen, war aus dem Saal gelaufen und hatte nach der Polizei gerufen? Der Polizist hatte ja sogar erwähnt, dass es eine Belohnung gebe für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führten. Bjørgen blickte zum anderen Ende des Lokals, wo der Oberkellner das Buch mit den Reservierungen durchblätterte. Warum spürte erstatt Panik dieses seltsame Kribbeln im Bauch, das sich durch seinen ganzen Körper fortpflanzte und ihn schaudern und zittern ließ, während er nach den richtigen Worten suchte.
    »Nur für eine Nacht«, sagte der Mann.
    »Ich arbeite heute«, sagte Tore Bjørgen.
    »Ich kann warten.«
    Tore Bjørgen musterte den Mann. Das ist Wahnsinn, dachte er, während sein Hirn langsam und unerbittlich die Lust auf ein Spielchen mit der möglichen Lösung seines Problems koppelte. Er schluckte und verlagerte sein Gewicht auf sein anderes Bein.
     
    *
     
    Harry rannte vom Bahnsteig, an dem der Expresszug vom Flughafen gehalten hatte, durch Grønland zum Polizeipräsidium, fuhr mit dem Aufzug direkt bis ins Raubdezernat und lief durch den Flur zum House of Pain, dem Videoraum der Polizei.
    In dem engen, fensterlosen Zimmer war es dunkel, warm und stickig. Er hörte flinke Finger auf einer PC-Tastatur.
    »Was siehst du?«, fragte er die Silhouette, die sich vor den flimmernden Bildern auf der Leinwand an der Schmalseite des Raumes abzeichnete.
    »Etwas ziemlich Interessantes«, sagte Beate Lønn, ohne sich umzudrehen, aber Harry wusste auch so, dass ihre Augen rot gerändert waren. Er kannte Beate und wusste, wie sie arbeitete, dass sie stundenlang auf die Leinwand starrte, vor- und zurückspulte, das Bild anhielt, genau betrachtete, vergrößerte, speicherte. Ohne zu wissen, was sie auf all diesen Bildern sah. Dieser Raum war ihr Territorium.
    »Möglicherweise die Erklärung«, fügte sie hinzu.
    »Ich bin ganz Ohr.« Harry tastete sich im Dunkeln vorwärts, stieß gegen ein Stuhlbein und nahm fluchend Platz.
    »Bereit?«
    »Schieß los.«
    »Okay, hier kommt Christo Stankic. «
    Auf der Leinwand trat ein Mann an den Geldautomaten. »Bist du sicher?«, fragte Harry.
    »Erkennst du ihn nicht?«
    »Ich erkenne die blaue Jacke, aber «, sagte Harry und hörte die Verwirrung in seiner eigenen Stimme.
    »Warte«, sagte Beate.
    Der Mann hatte seine Karte in den Automaten gesteckt und wartete. Dann sah er in die Kamera und schnitt eine Grimasse. Ein gekünsteltes Lächeln, das wohl das Gegenteil bedeuten sollte.
    »Er hat bemerkt, dass er kein Geld bekommt«, sagte Beate.
    Der Mann auf der Leinwand drückte immer wieder auf eine Taste und schlug zuletzt mit der Hand auf die Tastatur.
    »Und jetzt hat er bemerkt, dass auch seine Karte einbehalten wird«, sagte Harry.
    Der Mann blieb stehen und starrte lange auf das Display des Automaten. Dann schob er den Ärmel hoch, sah auf seine Armbanduhr, drehte sich um und war verschwunden.
    »Was ist das für eine Uhr?«, fragte Harry.
    »Das Glas glänzt sehr stark«, sagte Beate. »Aber ich habe das Negativ vergrößert. Auf dem Ziffernblatt steht Seiko SQ50.«
    »Cleveres Mädchen. Aber ich habe nichts gesehen, was uns weiterhelfen würde.«
    »Das ist es ja gerade.«
    Beate tippte auf

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