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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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dass ich von Anfang an Bescheid wusste über Ragnhild und Sie? Sie wissen sicher noch, sie hatte immer so rote Wangen, wenn sie frisch gefickt war. Und die bekam sie schon, wenn im Büro bloß Ihr Name fiel. Haben Sie ihr aus der Bibel vorgelesen, während Sie es trieben? Denn wissen Sie was? Ich glaube fast, das hätte ihr gefallen « Mads Gilstrup ließ sich wieder zurückfallen, lachte kurz und fuhr mit der Hand über das Gewehr, das auf dem Tisch lag. »Da sind zwei Patronen im Lauf, Karlsen. Haben Sie schon mal gesehen, was diese Patronen anrichten können? Sie brauchen nicht einmal richtig zu zielen, bloß abdrücken und – peng! – kleben Sie schon da hinten an der Wand. Faszinierend, nicht wahr?«
    »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich Sie nicht zum Feind haben will.«
    »Feind?« Mads Gilstrup lachte. »Sie werden immer meine Feinde sein. Erinnern Sie sich an den Sommer, in dem die Heilsarmee den Østgård gekauft hat und ich von Kommandeur Eckhoff persönlich eingeladen worden bin? Ich tat Ihnen ja so leid, dieser arme Junge, dem Sie seine Kindheitserinnerungen unter der Nase weggekauft haben. Sie sind ja so einfühlsam, was das angeht. Mein Gott, wie ich Sie gehasst habe!« Mads Gilstrup lachte. »Ich stand da und hab zugesehen, wie Sie Ihren Spaß hatten, als gehörte das alles Ihnen. Ganz besonders Ihr Bruder, Robert. Er hatte ja wirklich eine Schwäche für die Mädels. Kitzelte sie, ging mit ihnen ins Heu und « Mads bewegte seinen Fuß und stieß eine Flasche um, brauner Branntwein lief glucksend aufs Parkett. »Ihr habt mich nicht gesehen. Keiner von euch, als wäre ich Luft gewesen. Ihr wart nur mit euch selbst beschäftigt. Und ich dachte wirklich, ich bin unsichtbar, und wollte euch zeigen, was unsichtbare Menschen alles tun können.«
    »Haben Sie es deshalb getan?«
    »Ich?« Mads lachte. »Aber ich bin doch unschuldig, Jon Karlsen. Wir Privilegierten sind immer unschuldig, das müssten Sie doch langsam wissen. Wir haben immer ein reines Gewissen, weil wir das Geld haben, das Gewissen der anderen zu kaufen. Derjenigen, die uns dienen müssen und für uns die Drecksarbeit erledigen. Das ist ein Naturgesetz.«
    Jon nickte. »Warum haben Sie den Polizisten angerufen und gestanden?«
    Mads Gilstrup zuckte mit den Schultern. »Eigentlich hatte ich vor, diesen anderen anzurufen, diesen Harry Hole. Aber dieser Trottel hatte ja keine Visitenkarte, deshalb hab ich den angerufen, dessen Nummer ich hatte. Halvorsen oder so. Ich weiß nicht mehr, ich war betrunken.«
    »Haben Sie es sonst noch jemand erzählt?«, fragte Jon.
    Mads Gilstrup schüttelte den Kopf, hob die umgekippte Flasche vom Boden auf und trank einen Schluck.
    »Nur Vater.«
    »Ihrem Vater?«, fragte Jon. »Ja, natürlich.«
    »Natürlich?« Mads lachte. »Lieben Sie Ihren Vater, Jon Karlsen?«
    »Ja, sehr.«
    »Und Sie sind nicht der Meinung, dass die Liebe zu einem Vater auch ein Fluch ist?« Jon schwieg und Mads fuhr fort: »Vater war hier, unmittelbar nachdem ich mit diesem Polizisten telefoniert hatte, und wissen Sie, was er getan hat, nachdem ich ihm alles erzählt hatte? Er hat seinen Skistock geholt und mich vertrimmt. Und der Alte hat noch immer Kraft. Hass macht stark, wissen Sie. Er sagte, er würde mich umbringen, wenn ich das auch nur einer Menschenseele erzählte und damit den Namen der Familie in den Dreck zöge. Er hat sich wirklich so ausgedrückt. Und wissen Sie was? « Mads’ Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, und seine Stimme begann zu beben. »Ich liebe ihn trotzdem. Und ich glaube, genau deswegen hasst er mich so inbrünstig. Weil ich, sein einziger Sohn, sogar zu schwach bin, um seinen Hass zu erwidern.«
    Es hallte im Raum, als er die Flasche unsanft auf dem Parkett abstellte.
    Jon faltete die Hände. »Jetzt hören Sie mir mal zu. Der Polizist, der Ihr Geständnis gehört hat, liegt im Koma. Und wenn Sie mir versprechen, dass Sie mir und den Meinen nichts tun, verspreche ich, niemand zu erzählen, was ich weiß.«
    Mads Gilstrup sah nicht so aus, als hätte er Jon gehört. Stattdessen hing sein Blick wieder an der Leinwand, auf der ihnen das Brautpaar gerade den Rücken zudrehte. »Sehen Sie, jetzt sagt sie ja. Ich spiele mir diese Szene immer wieder vor. Weil ich es nicht verstehen kann. Sie hat es doch geschworen, sie «
    Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte, dass sie mich dadurch vielleicht wieder lieben könnte. Dass sie in mir wieder den Alten sehen würde, wenn ich es schaffte, dieses

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