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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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großen Bruder.«
    Harry schüttelte den Kopf. »Später vielleicht.«
    Als sie gegangen war, betrat Harry wieder Halvorsens Zimmer. Er setzte sich neben das Bett, rutschte bis zur Stuhlkante vor und fixierte das blasse Gesicht auf dem Kissen. In seiner Tasche hatte er eine noch ungeöffnete Flasche Jim Beam aus dem Duty-free-Shop.
    »Wir gegen den Rest «, flüsterte er.
    Harry setzte die Spitze seines Mittelfingers auf den Daumen und schnippte Halvorsen hart zwischen die Augen, aber seine Lider bewegten sich nicht.
    »Jaschin«, flüsterte Harry und hörte, wie belegt seine Stimme war. Als seine Jacke die Bettkante berührte, gab es ein metallisches Geräusch. Harry tastete mit der Hand nach unten. Da steckte etwas im Jackenfutter. Das vermisste Handy.
    Als Beate und Halvorsens Eltern zurückkamen, war er schon weg.
     
    *
     
    Jon lag auf dem Sofa und hatte den Kopf auf Theas Schoß gebettet. Sie sah sich einen alten Film an, und Jon hörte Bette Davis’ Stimme heraus, während er an die Decke starrte und dachte, dass er diese Zimmerdecke besser kannte als seine eigene. Und wenn er nur intensiv genug schaute, würde er schließlich etwas Bekanntes sehen, etwas anderes als dieses zerfetzte Gesicht, das sie ihm im kalten Keller des Reichshospitals gezeigt hatten. Er hatte den Kopf geschüttelt, als sie fragten, ob das der Mann sei, den er in der Tür seiner Wohnung gesehen hatte und der später den Polizisten mit dem Messer angegriffen hatte.
    »Aber das bedeutet nicht, dass er es nicht ist«, hatte Jon geantwortet, was sie mit einem Nicken und ein paar kurzen Notizen quittiert hatten, ehe sie ihn wieder hinausführten.
    »Bist du sicher, dass die Polizei dich nicht in deiner eigenen Wohnung schlafen lässt?«, fragte Thea. »Es gibt so viel Gerede, wenn du über Nacht hierbleibst. «
    »In meiner Wohnung ist ein Mord passiert«, sagte Jon. »Der Raum ist versiegelt, bis sie mit den Ermittlungen fertig sind.«
    »Versiegelt«, sagte sie. »Das hört sich ja an wie ein wichtiger Brief.«
    Bette Davis stürmte auf die jüngere Frau zu, und laut und dramatisch legten die Geigen los.
    »Woran denkst du?«, fragte Thea.
    Jon antwortete nicht. Er sagte ihr nicht, dass er sie angelogen hatte, als er behauptete, es sei vorbei. Dass es erst dann vorbei war,wenn er selbst getan hatte, was er tun musste. Und das bedeutete, dass er den Stier bei den Hörnern fassen, den Feind stoppen, ein mutiger, kleiner Soldat sein musste. Denn er wusste etwas. Schließlich hatte er in der Gøteborggata so dicht neben Halvorsen gestanden, dass er das Geständnis von Mads Gilstrup gehört hatte, als der Polizist seine Nachrichten abrief.
    Es klingelte. Sie stand schnell auf, als sei dieses Klingeln eine willkommene Unterbrechung. Es war Rikard.
    »Störe ich?«, fragte er.
    »Nein«, sagte Jon. »Ich wollte gerade gehen.«
    Jon zog sich bei dreieinigem Schweigen an. Als er die Tür hinter sich schloss, blieb er ein paar Sekunden stehen und lauschte den Stimmen drinnen. Sie flüsterten. Warum flüsterten sie? Rikard hörte sich wütend an.
    Er fuhr mit der Straßenbahn in die Stadt und dann weiter mit der Holmenkollenbahn. An so einem verschneiten Sonntag hätte die Bahn eigentlich voller Wanderer mit Skiern sein müssen, doch heute war es den Leuten anscheinend zu kalt. Er fuhr bis zur Endstation und sah Oslo weit unten zu seinen Füßen liegen.
    Mads’ und Ragnhilds Haus lag auf einer kleinen Anhöhe. Jon war nie hier gewesen. Das Tor war relativ schmal, ebenso die Auffahrt, die sich um eine Gruppe Bäume schlang, so dass man das Haus von der Straße aus kaum sehen konnte. Das eigentliche Gebäude war niedrig und derart ins Gelände hineingebaut, dass man gar nicht merkte, wie groß es war, bevor man es umrundete. Das hatte jedenfalls Ragnhild gesagt.
    Jon klingelte, und nach wenigen Sekunden hörte er eine Stimme, die aus einem unsichtbaren Lautsprecher kommen musste:
    »Sieh mal einer an, Jon Karlsen. «
    Jon starrte in die Kamera über der Tür.
    »Ich bin im Wohnzimmer.« Mads Gilstrups Stimme war undeutlich, und er lachte kurz. »Ich nehme an, Sie kennen den Weg. «
    Die Tür ging von selbst auf, und Jon Karlsen betrat eine Eingangshalle von der Größe seiner eigenen Wohnung.
    »Hallo?«
    Er bekam nur ein kurzes, hartes Echo als Antwort.
    Er durchquerte den Flur, der ihn, wie er hoffte, zum Wohnzimmerführen würde. An den Wänden hingen ungerahmte Bilder mit starken Ölfarben. Und im ganzen Haus lag ein eigenartiger Geruch, der immer

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