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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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wo Martine und Rikard standen und mit einem Mann redeten, den Harry als einen der Bodyguards des Ministerpräsidenten identifizierte.
    »Blasen Sie den Alarm ab!«, sagte Harry laut. »Stankic ist nicht mehr im Haus.«
    Die drei drehten sich zu ihm um.
    »Rikard, Ihre Schwester sitzt da drin, können Sie sich um sie kümmern? Und Martine, kannst du mit mir kommen?«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, packte Harry sie am Arm, undsie musste rennen, um mit ihm auf der Treppe zum Ausgang Schritt zu halten.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie.
    »Zum Flughafen.«
    »Und was soll ich da?«
    »Du wirst mein Auge sein, liebe Martine. Du wirst für mich den unsichtbaren Mann sehen.«
     
    *
     
    Er betrachtete sein Spiegelbild im Zugfenster. Stirn, Nase, Wangen, Mund, Kinn und Augen. Versuchte zu erkennen, was das Besondere war, das Geheimnis. Aber er konnte nichts Außergewöhnliches erkennen über dem roten Halstuch, nur ein ausdrucksloses Gesicht mit Augen und Haaren, die auf der Tunnelwand zwischen Oslo S und Lillestrøm ebenso schwarz erschienen wie die Nacht draußen.

 
    KAPITEL 33
    Dienstag, 22. Dezember. Der kürzeste Tag
     
     
    H arry und Martine brauchten genau zwei Minuten und achtunddreißig Sekunden vom Konzerthaus bis zum Bahnsteig unter dem Nationaltheater, wo sie zwei Minuten später in den Intercity einstiegen. Der nächste Halt auf dem Weg nach Lillehammer war der Hauptbahnhof, gefolgt vom Flughafen Gardermoen. Es war zwar ein langsamerer Zug, aber trotzdem waren sie so schneller am Ziel, als wenn sie auf den nächsten Express zum Flughafen gewartet hätten. Sie ließen sich auf die letzten freien Sitze fallen. In dem Abteil waren sonst nur Wehrpflichtige auf Weihnachtsurlaub und Studentengruppen, die mit Wein in Tetrapaks und Nikolausmützen den Ferienbeginn feierten.
    »Was geht hier eigentlich vor?«, fragte Martine.
    »Jon ist auf der Flucht«, sagte Harry.
    »Weiß er denn, dass Stankic am Leben ist? «
    »Er ist nicht auf der Flucht vor Stankic, sondern vor uns. Er weiß, dass wir ihn entlarvt haben.«
    Martine sah ihn mit großen Augen an. »Wie – entlarvt?« »Ich weiß kaum, wo ich anfangen soll.«
    Der Zug fuhr in den Hauptbahnhof ein. Harry spähte auf den Bahnsteig und musterte die Passagiere, sah aber keinen Jon Karlsen.
    »Es fing damit an, dass Ragnhild Gilstrup Jon zwei Millionen angeboten hat. Sie wollte Gilstrup helfen, der der Armee einen Teil ihrer Immobilien abkaufen wollte«, sagte Harry. »Er hat das ihr gegenüber abgelehnt, weil er Zweifel hatte, dass sie skrupellos genug war, auch wirklich dichtzuhalten. Stattdessen agierte er hinter ihrem Rücken und sprach direkt mit Mads und Albert Gilstrup. Erverlangte fünf Millionen, und außerdem sollte Ragnhild nichts von dem Deal erfahren. Sie willigten ein. «
    Martine saß mit offenem Mund da. »Woher weißt du das?«
    »Nach Ragnhilds Tod ist Mads Gilstrup mehr oder weniger zusammengebrochen. Er wollte das ganze Arrangement auffliegen lassen. Deshalb rief er seinen Kontaktmann bei der Polizei an. Halvorsen. Seine Nummer hatte er von der Visitenkarte, die Halvorsen ihm gegeben hatte. Halvorsen nahm das Gespräch nicht an, aber Mads hinterließ ihm eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Er erwähnte unter anderem, dass Jon auf einem schriftlichen Vertrag bestanden habe.«
    »Jon ist ein Ordnungsfanatiker«, sagte Martine leise. Der Zug fuhr aus dem Bahnhof, rollte an der Vorsteherwohnung Villa Valle vorbei und gelangte dann in die graue Landschaft im Osten Oslos, mit ihren Hinterhöfen, Fahrradwracks, Wäscheleinen und verrußten Scheiben.
    »Aber was hat das alles mit Stankic zu tun?«, fragte sie. »Wer hat ihn beauftragt? Mads Gilstrup?«
    »Nein.«
    Sie wurden in das schwarze Nichts des Tunnels gesaugt. Ihre Stimme konnte sich im Dunkeln kaum noch gegen das Rattern der Schienen durchsetzen: »War es Rikard? Sag, dass es nicht Rikard war...«
    »Warum glaubst du, dass es Rikard sein könnte?«
    »Rikard hat mich damals draußen vor dem Plumpsklo gefunden, nachdem Jon mich vergewaltigt hatte. Ich sagte ihm, ich sei da drinnen im Dunkel gestolpert, aber ich hab gleich gesehen, dass er mir nicht geglaubt hat. Er half mir ins Bett, ohne die anderen zu wecken. Und obwohl er nie etwas gesagt hat, hatte ich immer das Gefühl, dass er Jon nur anzusehen brauchte, um zu wissen, was geschehen war. «
    »Hm «, sagte Harry. »Deshalb achtet er so sorgsam auf dich. Dieser Rikard scheint dich wirklich gernzuhaben ... «
    Sie nickte.

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