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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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einzustellen. Denn weder Robert noch Ragnhild oder Thea würden jemals verstehen, dass er das brauchte, dass es das Einzige war, was ihm Erlösung und wahre Befriedigung verschaffte. In ein paar Jahren war Sofia zu alt, dann musste er eine neue finden. Doch bis dahin konnte sie seine kleine Prinzessin sein, das Licht seines Lebens und das Feuer seiner Lenden, wie es Martine gewesen war, als die Magie in dieser Nacht auf dem Østgård zum ersten Mal ihre Kraft entfaltet hatte.
    Es kamen immer mehr Menschen auf den Bahnsteig. Vielleicht würde nichts geschehen. Vielleicht konnte er einfach abwarten und in ein paar Wochen zurückkommen. Zurück zu Thea. Er zog das Handy aus der Tasche, suchte ihre Nummer heraus und schrieb ihr eine SMS:
    »Vater ist krank geworden. Fliege heute Abend nach Bangkok. Ruf dich morgen an. «
    Er schickte sie ab und tätschelte die schwarze Tasche. Fünf Millionen Kronen in Dollar. Vater würde sich unbändig freuen, wenn er seine Schuld endlich begleichen könnte und frei sein würde. Ich trage die Sünden der anderen, dachte er. Ich befreie sie.
    Er starrte in den Tunnel, in die schwarze Augenhöhle. Achtzehn Minuten nach acht. Wo blieb er nur?
     
    *
     
    Wo war Jon Karlsen? Er starrte auf die Reihen der Rücken vor sich, während er langsam den Revolver senkte. Der Finger hatte gehorcht und den Druck am Abzug vermindert. Wie nah er daran gewesen war, den Schuss abzufeuern, würde er nie erfahren. Aber nun wusste er: Jon Karlsen war nicht hier. Er war nicht gekommen. Daher auch die Verwirrung um die Plätze.
    Die Musik wurde ruhiger, die Besen wischten über die Trommeln,und die Finger des Gitarristen kamen langsam wieder zur Ruhe.
    Er sah, wie die Freundin von Jon Karlsen auf einmal auf ihren Schoß blickte und sich ihre Schultern bewegten, als suchte sie etwas in ihrer Tasche. Ein paar Sekunden lang saß sie mit gesenktem Kopf da. Dann erhob sie sich, und er sah ihr zu, wie sie sich mit kantigen, ungeduldigen Bewegungen an den Menschen vorbeischob, die in ihrer Reihe aufgestanden waren, um ihr Platz zu machen. Er wusste sofort, was zu tun war.
    »Excuse me« , sagte er und stand auf. Er bemerkte die strengen Blicke der Menschen kaum, die sich mit gespielter Mühe seufzend erhoben. Sein einziger Gedanke war, dass sein letzter Anhaltspunkt, Jon Karlsen zu erwischen, im Begriff war, den Saal zu verlassen.
    Als er ins Foyer kam, die gepolsterte Saaltür hinter ihm ins Schloss fiel und die Musik wie auf ein Fingerschnippen verstummte, blieb er stehen. Das Mädchen war noch nicht weit gekommen. Sie stand an einer Säule in der Mitte des Foyers und tippte auf ihrem Handy herum. Zwei Männer in Anzügen unterhielten sich vor der anderen Saaltür, und zwei Garderobenfrauen saßen mit abwesendem, in weite Ferne gerichtetem Blick hinter ihren Tischen. Er vergewisserte sich, dass der Mantel, den er über dem Arm trug, noch immer den Revolver verdeckte. Als er auf sie zugehen wollte, näherten sich von rechts schnelle Schritte. Er drehte sich um und sah einen hochaufgeschossenen Mann mit großen Augen auf sich zustürmen. Harry Hole. Er wusste, es war zu spät, der Mantel würde ihn daran hindern, den Revolver rechtzeitig auf ihn zu richten. Er taumelte nach hinten an die Wand, als ihn die Hand des Polizisten an der Schulter traf. Und dann sah er verwirrt zu, wie der Polizist die Klinke der Saaltür drückte, sie aufriss und verschwand.
    Er lehnte den Kopf an die Wand und schloss die Augen. Dann richtete er sich langsam auf und bemerkte, dass das Mädchen das Handy ans Ohr hielt und mit verzweifeltem Blick auf und ab ging. Er näherte sich ihr. Unmittelbar vor ihr blieb er stehen, schob den Mantel zur Seite, so dass sie den Revolver sehen konnte und sagte langsam und deutlich:
    » Please come with me . Sonst muss ich Sie töten.«
    Er konnte sehen, wie ihre Augen schwarz wurden, als die Angst ihre Pupillen weitete und sie das Handy fallen ließ.
     
    *
     
    Das Handy schlug mit einem leisen Geräusch auf den Schienen auf. Jon starrte auf das Telefon, das noch immer klingelte. Bevor er kapiert hatte, dass es Thea war, hatte er einen Augenblick lang gedacht, es sei wieder der stumme Anrufer vom Abend zuvor. Es war eine Frau gewesen, das wusste er mit Bestimmtheit. Sie war es gewesen, Ragnhild! Aber halt! Was war denn jetzt los? Wurde er langsam verrückt? Er konzentrierte sich auf seinen Atem. Er durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren.
    Er klammerte sich an die schwarze Tasche, als der Zug

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