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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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schließlich einfuhr.
    Die Zugtür öffnete sich pfeifend. Er stieg ein, legte den Koffer auf die Ablage und suchte sich einen freien Platz.
     
    *
     
    Der leere Sitz glotzte ihn an wie eine Zahnlücke. Harry studierte die Gesichter auf beiden Seiten des Sitzes, aber die Leute waren entweder zu alt, zu jung oder falschen Geschlechts. Er lief zum ersten Sitz der Reihe neunzehn und hockte sich neben den alten, weißhaarigen Mann, der dort saß:
    »Polizei. Wir sind «
    »Was?«, fragte der Mann laut und legte die Hand hinters Ohr.
    »Polizei«, sagte Harry lauter. In einer Reihe etwas weiter vorne bemerkte er einen Mann mit einem Stöpsel im Ohr, der sich zu bewegen begann und mit seinem Revers sprach.
    »Wir sind auf der Suche nach einer Person, die in der Mitte dieser Reihe gesessen haben soll. Ist Ihnen jemand aufgefallen, der gegangen oder gek–«
    »Was?«
    Eine ältere Frau, vermutlich seine Begleiterin an diesem Abend, beugte sich vor:
    »Der ist gerade rausgegangen. Aus dem Saal, meine ich. Mittenim Stück « Das Letzte sagte sie in einem Tonfall, als nehme sie an, die Polizei sei deshalb auf der Suche nach ihm.
    Harry lief den Gang wieder hoch, riss die Tür auf, stürmte durchs Foyer und über die Treppe nach unten in die Eingangshalle. Er sah den uniformierten Rücken draußen und rief von der Treppe aus: »Falkeid! «
    Sivert Falkeid drehte sich um, sah Harry und öffnete die Tür. »Ist hier gerade ein Mann rausgekommen?«
    Falkeid schüttelte den Kopf.
    »Stankic ist im Haus«, sagte Harry. »Schlag Alarm.«
    Falkeid nickte und klappte seinen Kragen hoch.
    Harry hastete zurück ins Foyer und bemerkte ein kleines, rotes Handy, das auf dem Boden lag. Er fragte die Garderobieren, ob sie jemand aus dem Saal hatten kommen sehen. Sie sahen sich an und verneinten die Frage beinahe synchron. Dann fragte er, ob es noch andere Ausgänge als die Treppe nach unten gebe.
    »Nur den Notausgang«, sagte die eine.
    »Ja, aber die Tür schließt so laut, dass wir das sicher gehört hätten«, sagte die andere.
    Harry stellte sich wieder an die Tür, die in den Saal führte, und scannte das Foyer von links nach rechts mit den Augen ab, während er über mögliche Fluchtwege nachsann. Hatte Martine ihm dieses Mal die Wahrheit gesagt? War Stankic wirklich hier gewesen? Im gleichen Augenblick erkannte er, dass dem so war. Der süßliche Parfümgeruch hing noch immer in der Luft – der Mann, der Harry im Weg gestanden hatte, als er hier entlanggerannt war! Schlagartig wusste er auch, wie Stankic geflohen war.
    Als Harry die Tür zur Herrentoilette aufriss, blies ihm die kalte Luft entgegen, die durch die weit geöffneten Fenster hereinströmte. Er trat vor, sah auf das Gesims und den Parkplatz darunter und schlug auf den Fensterrahmen. »Scheiße! Scheiße!«
    Aus einer der Toilettenkabinen kam ein Geräusch. »Hallo!«,rief Harry laut. »Ist da jemand?«
    Als Antwort rauschte die wütende Spülung des Pissoirs.
    Da war wieder der Laut. Eine Art Schluchzen. Harrys Blick schweifte über die Kabinen und blieb an der einzigen abgeschlossenen Tür hängen. Er warf sich zu Boden und sah ein Paar Pumps.
    »Polizei!«,rief Harry. »Sind Sie verletzt?«
    Das Schluchzen hörte auf. »Ist er weg?«, fragte eine zitternde Frauenstimme.
    »Wer?«
    »Er hat gesagt, ich muss fünfzehn Minuten hier sitzen bleiben.« »Er ist weg. «
    Die Tür der Kabine öffnete sich. Thea Nilsen saß seitlich auf dem Boden zwischen Toilettenschüssel und Wand, auf ihrem Gesicht zerfloss die Schminke.
    »Er hat gesagt, er würde mich töten, wenn ich ihm nicht verrate, wo Jon ist«, sagte sie unter Tränen. Als wollte sie sich entschuldigen.
    »Und was haben Sie gesagt?«, fragte Harry und half ihr auf den Toilettensitz hoch.
    Sie blinzelte zweimal.
    »Thea, was haben Sie ihm gesagt?«
    »Jon hat mir eine SMS geschickt«, sagte sie und starrte geistesabwesend auf die Toilettenwand. »Er hat geschrieben, dass sein Vater krank ist. Und dass er heute Abend nach Bangkok fliegt. Stellen Sie sich das vor. Ausgerechnet heute Abend.«
    »Bangkok? Haben Sie Stankic das gesagt?«
    »Wir sollten doch heute Abend dem Ministerpräsidenten vorgestellt werden«, sagte Thea, während ihr eine Träne über die Wange rann. »Und er hat nicht einmal abgenommen, als ich ihn angerufen habe, das … das …«
    »Thea! Haben Sie ihm gesagt, dass Jon heute Abend fliegen will?«
    Sie nickte schlafwandlerisch, als gehe sie das alles nichts an.
    Harry stand auf und eilte ins Foyer,

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