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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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die Eisblumen wie wuchernde Pilze an der Scheibe emporgewachsen. Halvorsens Atem pfiff, während sich seine Brust hob und senkte.
    »Manchmal ist es ein Scheißjob«, sagte Harry. »Lass dich davon nicht runterziehen!«
    »Nein«, erwiderte Halvorsen, aber sein Atem ging noch immer schwer.
    »Du bist du, und die sind die. «
    »Ja.«
    Harry legte Halvorsen die Hand auf den Rücken und wartete.
    Nach einer Weile spürte er, wie sich der Atem seines Kollegen beruhigte.
    »Tougher Junge.«
    Keiner von ihnen sagte etwas, als sich der Wagen mühsam einen Weg durch den Nachmittagsverkehr in Richtung Grønland bahnte.

 
    KAPITEL 7
    Dienstag, 15. Dezember. Anonymität
     
     
    E r stand am höchsten Punkt von Oslos belebtester Fußgängerzone, die nach dem schwedisch-norwegischen König Karl-Johann benannt war. Er hatte die Karte im Kopf, die er sich im Hotel hatte geben lassen, und wusste, die Silhouette im Westen war das Königliche Schloss und am östlichen Ende der Straße lag der Hauptbahnhof.
    Ein Schauer lief ihm über den Rücken.
    Hoch oben an einer Hauswand leuchteten die Minusgrade in rotem Neon. Schon die geringste Luftbewegung drang wie eine ferne Erinnerung an die Eiszeit durch den Kamelhaarmantel, mit dem er bisher so zufrieden gewesen war, insbesondere weil er ihn in London so überraschend günstig bekommen hatte.
    Die Uhr neben den Minusgraden zeigte 19:00. Er machte sich auf den Weg, wobei er sich immer in östlicher Richtung hielt. Es sah gut aus. Dunkel, viele Menschen, und die einzigen Überwachungskameras, die er entdecken konnte, befanden sich an der Außenseite von zwei Banken und waren auf die Geldautomaten gerichtet. Die U-Bahn hatte er als Fluchtweg ausgeschlossen, dort gab es zu viele Kameras und zu wenig Menschen. Oslo war kleiner, als er gedacht hatte.
    Er ging in ein Bekleidungsgeschäft. Dort fand er eine blaue Mütze für neunundvierzig Kronen und eine Wolljacke für zweihundert, entschied sich aber um, als er eine dünne Regenjacke für hundertzwanzig sah. Er probierte die Jacke in einer Umkleidekabine an und bemerkte, dass er die WC-Steine aus Paris noch immer in der Anzugtasche hatte. Sie waren mittlerweile zu Pulver zerkrümelt, das sich im Stoff festgesetzt hatte.
    Das Restaurant lag hundert Meter weiter die Straße hinunter auf der linken Seite. Als Erstes fiel ihm die Garderobe auf, die ohne Personal auskam. Gut, das machte es einfacher. Er trat in die Gaststube. Nur halbvoll. Und übersichtlich. Von dort, wo er stand, konnte er alle Tische überblicken. Ein Kellner kam auf ihn zu, und er bestellte für den nächsten Abend um sechs Uhr einen Tisch am Fenster.
    Ehe er ging, überprüfte er noch die Toilette. Es gab keine Fenster. Der einzige andere Ausweg führte somit durch die Küche. Nun, damit musste er leben. Den perfekten Tatort gab es nicht, und außerdem war es höchst unwahrscheinlich, dass er einen alternativen Fluchtweg brauchte.
    Er verließ das Restaurant, sah auf die Uhr und ging dann über die Karl Johans gate in Richtung Bahnhof. Die Menschen blickten zu Boden oder sahen weg. Eine kleine Stadt, mit der kühlen Distanz der Großstadt. Gut.
    Als er auf dem Bahnsteig des Schnellzugs zum Flughafen stand, blickte er erneut auf die Uhr. Sechs Minuten vom Restaurant. Der Zug fuhr sechsmal die Stunde und brauchte neunzehn Minuten. Er konnte also um 19.20 Uhr am Zug sein und um 19.40 Uhr am Flughafen. Der Direktflug nach Zagreb ging um 21.10 Uhr, und das Ticket der SAS hatte er bereits in der Tasche. Zum Sonderpreis.
    Zufrieden verließ er den neuen Bahnsteig, stieg eine Treppe hinunter und gelangte in eine Halle mit Glasdach. Vermutlich die alte Bahnhofshalle, in der jetzt Geschäfte untergebracht waren. Dann trat er auf den Vorplatz, »Jernbanetorget« hatte auf der Karte gestanden. In der Mitte des Platzes stand ein übergroßer Tiger, der in der Bewegung erstarrt war, inmitten der Menschen, Autos und Straßenbahnschienen. Aber entgegen der Aussage der Empfangsdame im Hotel war weit und breit keine Telefonzelle zu sehen. Auf der anderen Seite des Platzes war eine Art Windschutz, hinter dem sich eine Gruppe Menschen versammelt hatte. Er ging näher heran. Einige von ihnen hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich. Sie trugen Kapuzenjacken. Vielleicht kamen sie aus dem gleichen Ort, waren Nachbarn, die auf den Bus warteten. Sie riefen in ihm aber eine andere Erinnerung wach. Er sah, wie Ware den Besitzer wechselte, wie magere Männer sich gegen den eisigenWind

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