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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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seinem Vater ähnlich zu sehen. Glücklicherweise.
    Er ging mit einem Halbliterglas zurück zum Bett. Sie tranken beide daraus. Anschließend schmiegte sie sich an ihn. Seine Haut war anfangs klamm und kalt, doch nach einer Weile wärmte sie ihn auf.
    »Jetzt kannst du erzählen«, sagte sie.
    »Was denn?« Harry studierte den Rauch, der sich zu einem Buchstaben kringelte.
    »Wie hieß sie? Es geht doch um eine Sie, oder?«
    Der Buchstabe löste sich auf.
    »Wegen ihr bist du doch zu uns gekommen, oder?«
    »Vielleicht.«
    Harry sah zu, wie die Glut langsam die Zigarette auffraß, während er erzählte. Erst nur ein wenig. Die Frau neben ihm war eine Fremde, es war dunkel, und die Worte kamen und lösten sich wieder auf. Er dachte, so musste es sich anfühlen, wenn man in einem Beichtstuhl saß. Es loszuwerden. Oder es den anderen zu überlassen, wie sie das bei den AA nannten. Also erzählte er weiter. Redete über Rakel, die ihn vor einem Jahr aus dem Haus geworfen hatte, weil sie fand, er sei besessen von der Suche nach dem Maulwurf in der Polizei, dem Prinzen. Und von Oleg, ihrem Sohn, der aus seinem Kinderzimmer entführt und als Geisel missbraucht worden war, als Harry dem Prinzen endlich auf der Spur war. Oleg war gut darüber hinweggekommen, wenn man bedachte, dass er bei dieserEntführung hatte mit ansehen müssen, wie Harry den Entführer in einem Fahrstuhl getötet hatte. Für Rakel war es schlimmer gewesen. Als sie zwei Wochen nach der Entführung über alle Details aufgeklärt worden war, hatte sie ihm gesagt, sie könne ihm keinen Platz mehr in ihren Leben einräumen. Oder genauer gesagt, in Olegs Leben.
    Astrid nickte. »Sie ging wegen der Schäden, die du ihm zugefügt hast?«
    Harry schüttelte den Kopf. »Wegen der Schäden, die ich ihnen nicht zugefügt hatte. Noch nicht.«
    »Wirklich?«
    »Ich habe immer wieder gesagt, die Sache sei jetzt abgeschlossen, aber sie blieb dabei, dass ich besessen sei und nie klein beigeben würde, solange auch nur einer von ihnen noch da draußen ist.« Harry drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, der auf dem Nachtschränkchen stand. »Und dass es immer irgendjemand geben würde, den ich finden müsse. Irgendjemand, der ihnen beiden Schaden zufügen konnte. Sie sagte, diese Verantwortung könne sie nicht übernehmen.«
    »Hört sich an, als sei sie die Besessene.«
    »Nein.« Harry lächelte. »Sie hat recht.«
    »Ach ja? Willst du mir das erklären?«
    Harry zuckte mit den Schultern. »U-Boot «, begann er, wurde dann aber von einem kräftigen Hustenanfall gestoppt.
    »Was für ein U-Boot?«
    »Sie hat das gesagt. Dass ich ein U-Boot bin. Dass ich dorthin abtauche, wo es dunkel und kalt ist und man nicht atmen kann, und nur einmal im Monat an die Oberfläche komme. Sie wollte mir dort unten keine Gesellschaft leisten. Durchaus verständlich.«
    »Liebst du sie noch immer?«
    Harry war sich nicht sicher, ob ihm die Richtung gefiel, die dieses Gespräch nahm. Er holte tief Luft. Im Kopf spielte er das letzte Gespräch ab, das er mit Rakel geführt hatte. Seine eigene Stimme, leise, wie immer, wenn er wütend oder ängstlich war:
    »Wieso U-Boot?«
    Rakels Stimme: »Ich weiß, das ist kein gutes Bild, aber du verstehst schon «Harry hebt die Hände in die Höhe: »Aber nicht doch, das ist ein ganz fantastisches Bild. Und was ist dann dieser … Arzt? Ein Hangarschiff? «
    Sie stöhnt: »Er hat nichts damit zu tun, Harry. Es geht hier um dich und mich. Und um Oleg.«
    »Versteck dich jetzt nicht hinter Oleg.«
    »Verstecken «
    »Du benutzt ihn als Geisel, Rakel «
    »ICH benutze ihn als Geisel? War ich es vielleicht, der Oleg entführt und ihm eine Pistole an die Schläfe gedrückt hat, damit DU deine Rachegelüste befriedigen konntest?«
    Die Adern auf ihrem Hals treten deutlich hervor und sie schreit so laut, dass ihre Stimme hässlich wird und wie die Stimme einer Fremden klingt. Ihre eigenen Stimmbänder genügen nicht für eine derartige Wut. Harry geht und schließt die Tür hinter sich, leise, fast lautlos.
    Er wandte sich wieder der Frau zu, die neben ihm im Bett lag: »Ja, ich liebe sie. Liebst du deinen Mann, den Arzt?«
    »Ja.«
    »Warum dann das hier?«
    »Er liebt mich nicht.«
    »Hm, dann rächst du dich jetzt also?«
    Sie sah ihn überrascht an. »Nein, ich bin bloß einsam. Und ich hatte Lust auf dich. Die gleichen Gründe wie bei dir, würde ich sagen. Hättest du es lieber komplizierter?«
    Harry lachte. »Nein, nein, das ist schon gut so.

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