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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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hörte.
    Halvorsen rannte im Slalom zwischen Patienten, Besuchern und Pflegern in Clogs hindurch. Atemlos blieb er vor ihm stehen und reichte ihm einen Zettel mit blasser, schwarzer Schrift auf glänzendem, glattem Papier, das Harry sofort verriet, dass dieses Blatt aus der Faxmaschine des Dezernats stammte.
    »Eine Seite aus der Passagierliste. Ich habe versucht, dich anzurufen ... «
    »Hier im Krankenhaus muss man das Handy ausschalten«, sagte Harry. »Was Interessantes dabei?«
    »Ich habe problemlos diese Passagierlisten bekommen. Und sie Alex gemailt, der sich sofort darum gekümmert hat. Einige der Passagiere haben ein paar Kleinigkeiten auf dem Kerbholz, aber nichts, was wirklich Anlass zu einem Verdacht bieten würde. Aber eines ist doch ein bisschen merkwürdig ... «
    »Ja?«
    »Einer der Passagiere auf der Liste kam vor zwei Tagen nach Oslo und hatte ein Rückflugticket für den gestrigen Flug, der aber auf heute Morgen verschoben worden ist. Christo Stankic. Er ist nicht aufgetaucht. Das ist insofern interessant, als er ein Billigflugticket hatte, das man nicht umbuchen kann. In der Passagierliste wird er als kroatischer Staatsbürger angegeben, weshalb ich Alex gebeten habe, diesen Namen mit dem Kroatischen Volksregister abzugleichen. Kroatien ist zwar auch nicht Mitglied von Europol, aber da sie gerne in die EU wollen, sind sie kooperativ, wenn es darum geht...«
    »Komm zur Sache, Halvorsen. «
    »Es gibt keinen Christo Stankic. «
    »Interessant.« Harry kratzte sich am Kinn. »Ohne dass Christo Stankic dadurch etwas mit der Sache zu tun haben muss.«
    »Natürlich nicht.«
    Harry starrte auf den Namen auf der Liste. Christo Stankic. Eigentlich nur ein Name. Aber ein Name, der auf jeden Fall in dem Pass stehen musste, den die Fluggesellschaft beim Einchecken sehen wollte, da dieser Name ja auf der Passagierliste stand. Der gleiche Pass, den ein Hotel bei der Zimmervergabe sehen wollte.
    »Ich will, dass die Gästelisten aller Osloer Hotels überprüft werden«, sagte Harry. »Sehen wir doch mal, ob sie diesen Christo Stankic in den letzten Tagen irgendwo zu Gast hatten.«
    »Ich fang sofort damit an. «
    Harry richtete sich auf und nickte Halvorsen zu, eine Geste, von der er hoffte, dass sie alles ausdrückte, was er zu sagen wünschte. Dass er zufrieden mit ihm war.
    »Dann gehe ich zu meinem Psychologen«, sagte Harry.
     
    Die Praxis von Ståle Aune lag in dem Teil der Sporveisgate, in dem keine Straßenbahn mehr fuhr. Stattdessen war sie geprägt von einer seltsamen Mischung unterschiedlichster Gangarten auf ihren Bürgersteigen. Der selbstsichere, schwungvolle Gang der durchtrainierten Hausfrauen, die aus dem Fitnessclub SATS strömten, der vorsichtige Gang der Besitzer von Blindenhunden, die aus dem Haus des Blindenverbandes kamen, und der unvorsichtige Gang der müden, aber unerschütterlichen Klientel des Hospizes für Drogenabhängige.
    »Dieser Robert Karlsen hatte also ein Faible für minderjährige Mädchen«, sagte Aune, der seine Tweedjacke über die Stuhllehne gehängt hatte und das Doppelkinn in seine Fliege presste. »Das kann natürlich viele Gründe haben, aber wenn ich das richtig verstanden habe, ist er im pietistischen Milieu der Heilsarmee aufgewachsen?«
    »Genau«, sagte Harry und sah zu den wohlgefüllten, aber chaotischen Regalbrettern seines persönlichen und professionellen Beraters auf. »Aber ist das nicht nur ein Mythos, dass man pervers wird, wenn man in so einem geschlossenen, streng religiösen Milieu aufwächst?«
    »Nein«, sagte Aune trocken. »Mitglieder christlicher Sekten sind überrepräsentiert, was diese Art von Übergriffen angeht.«
    »Warum ist das so? «
    Aune legte die Fingerspitzen aneinander und schmatzte zufrieden: »Wenn man in seiner Kindheit oder Jugend zum Beispiel von seinen Eltern dafür bestraft oder gedemütigt wird, dass man seine natürliche Sexualität zeigt, führt das häufig dazu, dass man diesen Teil seiner Persönlichkeit verdrängt. Dadurch wird der natürliche sexuelle Reifungsprozess gestoppt, und die sexuellen Präferenzen geraten sozusagen auf Abwege. Um ihre Sexualität auszuleben, sehnen sich im Erwachsenenalter deshalb viele in die Zeit zurück, in der sie sich noch natürlich verhalten durften.«
    »Zum Beispiel mit Windeln herumlaufen?«
    »Ja, oder mit Exkrementen spielen. Ich erinnere mich an einen Fall in Kalifornien, wo ein Senator «
    Harry räusperte sich.
    »Oder die Erwachsenen streben zurück zu einem sogenannten

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