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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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vor ihm. Nur Jimi konnte eine Gitarre auf diese Weise lebendig machen, das Gerät in ein organisches Wesen verwandeln, ein Wesen, das gleichzeitig Phallus, Frau, weißes Pferd und ringelnde Schlange darstellte. Mo musterte seine Arme, doch ihre Tätowierungen waren tot. Die Sonne ging unter, als er in die Lancaster Road einbog, nicht so sehr durch einen bestimmten Vorsatz angetrieben, als vielmehr von einer Mischung aus Gewohnheit und einem der Trägheit gehorchenden Schwung. Ein neues Bild tauchte in seinem Kopf auf: Jimi als Seelenfänger, der das Publikum seiner Energien beraubt. Aus dem Märtyrer Jimi wurde ein Vampir. Mo spürte die Paranoia immer mächtiger über sich hereinbrechen; je eher er an Muntermacher gelangte, desto besser. Jimi konnte er für seinen Zustand nicht verantwortlich machen. Mo hatte zwei Tage nicht geschlafen. So simpel war der Grund. Jimi hatte dem Publikum alles gegeben, einschließlich sein Leben. Doch wie viele seiner Fans waren für ihn gestorben?
    Mo schleppte sich die Stufen des Hauses in der Lancaster Road hinauf und drückte den dritten Klingelknopf von oben. Ohne Erfolg. Er zitterte erbärmlich, hielt sich krampfhaft an den Steinstufen fest und versuchte, sich zu beruhigen. Aber sein Zucken wurde schlimmer, und er glaubte, jeden Moment ausklinken zu müssen. Hinter ihm ging die Tür auf. »Mo?«
    Es war Jenny, Daves Mädchen. Sie trug ein Kleid aus violettem Brokat, das Haar mit feuchter Henna beschmiert. »Mo? Bist du in Ordnung?«
    Mo schluckte und antwortete: »Hallo, Jenny. Wo ist Dave?«
    »Er ist runter zum Mountain Grill und besorgt was zum Essen. Vor ‘ner halben Stunde etwa. Geht’s dir nicht gut, Mo?« »Nur müde. Hat Dave ein paar Uppers zu Hause?«
    »So viel ich weiß, sind jede Menge Mandies da.«
    Mo war auch damit einverstanden. »Gibst du mir was für zwei Pfund?«
    »Da fragst du besser Dave. Vielleicht hat er sie jemandem versprochen.« Mo nickte und stand vorsichtig auf.
    »Willst du nicht reinkommen und drinnen auf ihn warten?« sagte Jenny.
    Mo schüttelte den Kopf. »Ich geh runter zum Grill. Bis dann,
    Jenny.«
    Mo schlurfte die Lancaster Road entlang und bog an der Ekke in die Portobello Road. Er glaubte, den schwarzen, mit Chromteilen aufgemotzten Mercedes weiter oben die Straße kreuzen zu sehen. Die Häuser rückten auf ihn zu. Sie schienen ihm höhnisch zuzugrinsen. Er hörte, wie sie über ihn lästerten. Eine Frau bewarf ihn mit einem Gegenstand. Endlich erreichte er den Mountain Grill und stolperte durch die Tür. Das Café war voller Freaks, aber kein bekanntes Gesicht darunter. Alle hatten böse, verschlossene Blicke. Sie flüsterten.
    »Ihr Scheißkerle«, murmelte Mo, doch sie taten, als hörten
sie ihn nicht. Er sah Dave.
»Dave? Dave, Mann!«
    Dave blickte auf und grinste zutraulich. »Hey, Mo. Seit wann bist du zurück?« Er steckte in neuen, sauberen Denims mit frischen Flicken. Auf einem der Flicken stand: »Star Rider«. »Gerade angekommen.« Mo lehnte sich über den Tisch, ohne auf die anderen Gäste Rücksicht zu nehmen, und flüsterte in Daves Ohr: »Ich hab gehört, du hast Mandies zu vergeben.« Dave wurde ernst. »Richtig. Sofort?« Mo nickte.
    Dave stand langsam auf und zahlte die Rechnung bei der dunkelhäutigen, fetten Lady am Tresen. »Danke, Maria.« Dave legte einen Arm um Mos Schulter und führte ihn nach draußen. Mo fragte sich, ob Dave ein krummes Ding vorhatte, denn er wußte, daß sein Kumpel mehr als einmal in Verdacht geraten war.
    Unterwegs sagte Dave verhalten: »Wieviel brauchst du,
Mo?«
»Wieviel verlangst du?«
    Dave sagte: »Zehn Pence pro Pille, unter Freunden.«
    »Dann nehm ich für fünf Pfund. Das wären hundert, oder?« »Fünfzig.«
    Sie kamen zurück in die Lancaster Road; Dave öffnete die

    Tür mit zwei Schlüsseln, einem flachen und einem runden. Sie gingen durch ein finsteres, abstoßendes Treppenhaus. Daves Zimmer war düster und verräuchert; lackierte Läden verschlossen das Fenster. Jenny saß in der Ecke auf einer Matratze und hörte eine Platte von Ace. Sie strickte.
    »Hey, Mo«, sagte sie. »Du hast ihn also gefunden.«
    Mo setzte sich auf die Matratze in der gegenüberliegenden Ecke. »Wie geht’s dir, Jenny?« sagte er. Er konnte Dave nicht leiden; Jenny dagegen war ihm sympathisch. Er versuchte, höflich zu sein. Dave stand an einer Schubladenkommode und zog einen Karton unter einem Haufen von fransengesäumten Gardinen hervor. Mo sah an ihm vorbei auf Jimi. Er trug ein Seidenhemd

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