Der Eroberer
zugebracht. Jetzt zieht es mich in den Osten, und weil dies auch Alexanders Ziel ist, habe ich beschlossen, seiner Armee beizutreten. Wie ich hörte, ist er zur Zeit in Babylon.«
»Das ist wahr. Aber du wirst ihn wohl kaum sprechen können. Mit dem Anwerben von Söldnern hat er selbst nichts zu tun.« Die Stimme des Persers klang freundlich.
»Von diesem Mann … oder Gott … wird so oft gesprochen, daß ich ihn gern persönlich treffen würde, wenn das möglich ist.«
»Viel Glück, mein Freund. Er wird dich entweder hinrichten lassen oder befördern. Er ist ein Mann der Extreme.« »Sind das nicht alle großen Eroberer?«
»Für einen Söldner bist du erstaunlich gut gebildet.« Der Karthager grinste.
Simon nahm sein kurzes, in der Scheide steckendes Schwert von der Bank. »Und du bist erstaunlich neugierig, Freund. Weißt du nicht, daß in Byzanz alle Wissenschaften gepflegt werden, so wie im alten Griechenland … einschließlich der Wissenschaft des Lesens und der Philosophie?«
Der Perser lachte. »So sieht sich Byzanz gern selbst. Ich bezweifle jedoch, daß irgendeine Stadt so aufgeklärt ist. Ihr aus dem Westen sehnt euch nach einem Griechenland, das es nie gab … eure Philosophie gründet auf dem Wunsch nach Vervollkommnung. Doch die erreicht ihr nie, weil es sie nicht gibt. Glaub mir, die Kanäle in Byzanz stinken wie von jeher.« »Nicht so sehr wie persischer Neid«, sagte Simon und ging, bevor er zur Schlußfolgerung seines Arguments aufgefordert werden konnte.
Aber der in der Taverne zurückgebliebene Perser war alles andere als beleidigt. Er lachte und wischte sich den Mund mit seinem Armstumpf.
Simon hörte das Gelächter, als er den düsteren Bazar überquerte, den die meisten Händler und Kunden bereits verlassen hatten. Die Sonne ging unter. Bald trat die Ausgangssperre in Kraft. Ein paar Händler packten ihre Waren ein und blickten auf, als der große, hagere, in weiches, altes Leder gekleidete Kämpfer vorüberging und auf die Straße der Kuferschmiede zusteuerte, in der ein Freund von ihm wohnte.
Um ihn herum lag das goldene Babylon wie ein uraltes Monstrum aus Geheimnissen, Terrassenhäusern, Palästen und Tempeln, auf dessen Haut die letzten Sonnenstrahlen brannten. Er ging durch eine steil ansteigende Straße und gelangte schließlich an ein kleines, weißes, fensterloses Haus. Er klopfte. Er wartet eine Weile in der zunehmenden Dämmerung. Endlich wurden die Riegel zur Seite geschoben, und die Tür ging einen Spaltbreit auf, aus dem ihm ein Auge entgegenblinzelte. Dann öffnete sich die Tür.
Hano, der Weise, lächelte und hieß ihn willkommen. »Tritt ein, Simon. Du hast also unser großartiges Babylon erreicht.« Simon betrat das Haus. Es war dunkel, heiß und stank übel nach verbranntem Metall. Der alte Phönizier nahm seinen Arm und führte ihn durch einen finsteren Gang.
»Wirst du in Babylon bleiben, mein Junge?« fragte Hano und fügte hinzu, bevor Simon antworten konnte: »Wie gefällt dir das Schwert?«
»Ich habe vor, Alexander zu treffen«, sagte Simon, dem die Berührung des alten Mannes unangenehm war, obwohl er ihn leiden mochte. »Das Schwert ist vortrefflich und hat sich schon in mehreren Kämpfen bewährt. Ich will es in den Dienst Alexanders stellen.«
Hanos Griff wurde fester, als sie einen düsteren, rauchgeschwängerten Raum betraten, in dessen Mitte eine Kohlenpfanne glühte. An den rußigen Wänden hingen Waffen – Schwerter, Schilde und Lanzen. Mehrere Diwane und Tischchen standen im Zimmer herum. Der Rauch brannte in Simons Lungen; er mußte husten. Hano zeigte auf einen Diwan. »Nimm Platz, Simon.« Er schlurfte auf seinen eigenen Diwan neben der Kohlenpfanne zu, legte sich der Länge nach hin und massierte seine gebogene Nase. »Alexander hat viele Schwerter.«
»Ich weiß … aber wenn du mir einen Gefallen tust, könnte ich leichter an ihn herankommen.«
»Ich schulde dir Freundschaft und mehr«, sagte Hano. »Du hast mich vor neun Jahren in Theben vor einem schmählichen Tod bewahrt. Aber weil ich ahne, um was du mich bittest, zögere ich einzuwilligen.« »Warum?«
»Vielleicht nur aus Gründen der Vorsicht eines alten Mannes. Die Geschichten, die ich seit kurzem höre, sind beunruhigend. Alexander hält sich für den Sohn des Zeus, Jupiter Ammon. Andere behaupten, daß der böse persische Ahriman von ihm Besitz ergriffen hat. Das alles mag wahr oder falsch sein … aber jedes Orakel von hier bis Pela prophezeit Streit und Unruhe für die
Weitere Kostenlose Bücher