Der erpresste Erpresser
beiden.“
*
Der hintere Ein/Ausgang des
Chianti-Hauses war nur für Eingeweihte, fürs Personal, für Lieferanten und jene
Stammgäste, die keinen Wert legten auf den großen Auftritt mit
Oberkellner-Begrüßung, Verbeugung und Händeschütteln.
Der hintere Ein/Ausgang führte zunächst
auf einen Hof, der sozusagen die Nachtseite darstellte des Chianti-Hauses:
vollgestellt mit Abfalltonnen, leeren Kästen, Kisten, Flaschen. Außerdem
parkten dort die Motorräder der jüngeren Köche und Kellner.
Der Hof war schattig und von hohen
Hausmauern — Rückfronten selbstverständlich — umgeben. Einige hatten Fenster.
Aber dort zeigte sich nie ein Gesicht.
Vom Hof gelangte man durch einen Torweg
zur Lortzen-Allee. Der Torweg wurde überdacht von einem Haus, das bereits zur
Allee gehörte und viel Ähnlichkeit mit einer Gleis-Unterführung hatte, nur
stand dort nicht soviel Plunder herum. Sperrmüll aus dem Chianti-Haus hatte
sich angesammelt im Torweg und wartete auf den Abtransport: alte Tische,
Stühle, Regale, Paravents (spanische Wand), Blumenkästen, Weinlaub aus
Plastik und Wandschmuck-Plakate.
Gut versteckt in diesem Chaos warteten Sigi
und Behnke.
Durch die Rippen eines Regals starrten
sie zum Hof.
„Wo bleibt die Brillenschlange?“
knurrte Behnke.
„Vielleicht mußte er noch zum Klo.“
„Wie will er uns dann verfolgen?“
„Und wenn du dich täuschst? Wenn er das
gar nicht vorhat?“
„Mann, Sigi!“ fauchte Behnke. „Was ist
los? Flattert dir das Hemd — nur weil ich dem Bengel die Nase blutig haue?
Warst doch eben noch überzeugt, daß er nur meinetwegen im Lokal ist. Und du
hast verdammt nochmal recht. Der Große mit den braunen Locken war gleich viel
zu frech. Verdammtes Pech, daß wir dann ausgerechnet an seinen Großvater
geraten — den alten Depp.“
„Der alte Depp hat uns reingelegt — mit
dem Hunderter.“
„Schlimm genug! Die Brillenschlange
kriegt jetzt was auf die Ohren, damit die Bälger kapieren, daß wir keinen Spaß
verstehen.“
Zwei Sekunden herrschte Stille.
Dann sagte eine Stimme hinter den
beiden: „Wie man sich irren kann. Ich dachte, ihr wärt die reinsten Spaßvögel.
Falschgeld-Verteiler und Spaßvögel! Paßt das zusammen?“
Sigi erstarrte.
Behnke zeigte die gleiche Reaktion,
überwand jedoch den Zustand und drehte sich um.
*
Grinsend trat Tim hinter einem
ramponierten Geschirrschrank hervor.
Seit zehn Minuten lauerte der
TKKG-Häuptling im Sperrmüll. Postiert hatte er sich hier, um nichts außer acht
zu lassen. Daß ihm Sigi und der Geier-Typ in die Arme liefen, kam allerdings
überraschend — ebenso natürlich der aufschlußreiche Dialog.
„Ich glaube“, sagte Tim, „ihr redet von
meinem Freund Karl.“
Behnke griff in die Tasche,
verunsichert durch Tims athletische Gestalt. Der Ganove wollte nichts riskieren
und schob seine Finger durch den Schlagring, den er ständig bei sich trug: eine
gefährliche Waffe. Schon ein mittelharter Schlag reicht aus, um einen
Kieferknochen zu brechen. Und die Stahlspitzen vorn an den Ringen tun ein
übriges, verursachen gefährliche Verletzungen.
Behnke gehörte zur Unterwelt. Deren
Gesetze waren seine Lebensweisheit. Eine Regel besagte: Nur das Überleben ist
wichtig - egal wie.
Wuchtig und hinterhältig trat er zu mit
dem linken Fuß.
Tims Knie wäre operationsreif gewesen —
doch der TKKG-Häuptling wich aus wie der Wind, und Behnkes Fuß brach durch die
Geschirrschrank-Rückwand und blieb darin stecken.
Auf einem Bein! Aber deshalb gab der
Verbrecher nicht auf. Seine Schlagring-Faust schnellte vor.
Wieder daneben.
Und Tims Karate-Knöchel landeten
unterhalb des Halses auf dem Brustbein — wie eine Ramme.
Behnke kippte rücklings zu Boden. Dabei
riß er den Schrank mit.
Drohend wies Tim auf den schlotternden
Sigi. „Keinen Fluchtversuch, Droschken-Kutscher! Sonst haue ich dich
unangespitzt in den Boden.“
„Ich... war ja dagegen“, jaulte Sigi.
„Ich wollte nicht, daß die Brillenschlange Kloppe kriegt.“
„Bleib dort stehen und — Schnauze!“
Mehr war nicht nötig, um den
Taxi-Fahrer einzuschüchtern. Schlotternd blieb er, wo er stand.
Tim entwaffnete den Geier-Typ und zog
dessen Fuß aus dem Schrank.
Bewußtlos war er nicht, der
Falschgeld-Verteiler, aber kurz bei Atem. Tims Faust hinterließ Wirkung.
Die linke Brusttasche! Neugierig war
der TKKG-Häuptling schon lange auf die. Und er wurde nicht enttäuscht, als er
nachsah.
Ein dickes Bündel Hunderter —
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