Der erste Marsianer
Schritt. Ich habe überlegt, ob ich mich nicht von der Szene zurückziehen sollte. Aber ich tue es noch nicht. Zuvor muß ich mir Klarheit verschaffen. Zuviel steht auf dem Spiel.
Nichtsdestoweniger verspüre ich ein Gefühl von Frustration, wie ich in den Patio hinuntersteige. Die zwei dort unten wirken kühl und beherrscht, und ich muß die Geschicklichkeit des Gehirns bewundern. Es hat offenbar zwei menschliche Wesen übernommen, ohne sie in Wahnsinn zu stürzen. Tatsächlich bemerke ich, daß sie von dieser Entwicklung günstig beeinflußt zu sein scheinen. Die Augen der Frau sind heller, als ich sie in Erinnerung hatte, und sie strahlt eine Art glücklicher Zufriedenheit aus. Sie scheint frei von Furcht zu sein. Und Grannitt beobachtet mich mit einschätzenden Blicken. Er versucht sich auszudenken, wie ein Humanoide funktioniert. Er redet mich an:
„Du hast einen großen Fehler gemacht, als du Miß Stewart bei ihrem Besuch in der Hütte kontrolliertest. Das Gehirn analysierte richtig, daß du in ihrem Bewußtsein gewesen sein mußt, um ihre Panik zu steuern. Darauf unternahm es alle nötigen Schritte, und wir wollen jetzt die zufriedenstellendste Art und Weise diskutieren, wie du dich uns ergibst.“
Seine Haltung spiegelt arrogante Selbstsicherheit. Mir kommt – nicht zum erstenmal – der Gedanke, daß ich meinen Plan zur Übernahme des Gehirns möglicherweise aufgeben muß. Ich sende ein Kommando zurück zu meinem Körper. Ein Servomechanismus tritt in Verbindung mit einer bestimmten Lenkrakete in einem tausend Kilometer entfernten Luftwaffenstützpunkt – ich entdeckte ihn während meiner ersten Tage meines Aufenthalts. Ich verfolge, wie die Lenkrakete unter meiner Anleitung auf die Abschußrampe gleitet. Dort ruht sie, bereit für das nächste Signal, das die Zündrelais des Raketenmotors schließen wird.
Ich sehe voraus, daß ich das Gehirn werde zerstören müssen.
Grannitt spricht wieder: „Das Gehirn erkannte nach logischer Analyse der bisherigen Ereignisse, daß es dir nicht gewachsen ist, und so hat es sich mit Miß Stewart und mir zu unseren Bedingungen zusammengeschlossen. Was bedeutet, daß in den neuen Sektionen permanente Kontrollmechanismen installiert wurden. Als Individuen können wir seine Fähigkeiten jetzt und in Zukunft gebrauchen, als ob sie unsere eigenen wären.“
Ich bezweifle seine Behauptungen nicht, denn wenn es keinen Widerstand gibt, kann ich solche Verbindungen selber eingehen. Wenn ich wollte, könnte ich sogar ein solches sklavisches Verhältnis auf mich nehmen.
Es befriedigt mich, daß das Gehirn aus Angst vor meiner Überlegenheit auf seine Selbstbestimmung verzichtet hat, doch zugleich ist mir klar, daß ich nicht länger hoffen kann, etwas von ihm zu gewinnen.
Ich zünde die Lenkrakete auf dem entfernten Stützpunkt. Das Geschoß schießt von der Startrampe und erhebt sich flammenspeiend in den Himmel. Es wird in weniger als zwanzig Minuten hier sein.
Grannitt sagt: „Ich habe keinen Zweifel, daß du Aktionen gegen uns unternimmst. Aber bevor es zum Zusammenstoß kommt, könntest du uns einige Fragen beantworten. Wirst du es tun?“
Ich bin neugierig, welche Fragen er stellen will. Ich sage: „Vielleicht.“
Er wartet auf keine positivere Antwort und sagt mit eindringlicher Stimme: „Welche Gründe sind verantwortlich, daß die Erde in nicht allzu ferner Zukunft ihre Atmosphäre verlieren wird?“
Ich befrage mein Informationszentrum, und es liefert mir exakte Daten. Ich antworte kühl:
„Verantwortlich sind Veränderungen in der Atmosphäre, hervorgerufen durch Übervölkerung und industrielle Prozesse. Die Sauerstoff produzierenden Waldregionen verschwinden, der Verbrauch an Sauerstoff übersteigt die natürliche Erzeugung. Abgase sättigen die Atmosphäre mit Kohlendioxyd und Stickstoff und anderen Verbindungen. Sonneneinstrahlung von oben und nukleare Energieerzeugung von unten heizen die vergiftete Atmosphäre auf. Als Folge verflüchtigt sich der Wasserstoff in den Weltraum, was zu einer weiteren Aufheizung der Restatmosphäre führt und wiederum verstärkte Verflüchtigung bewirkt. So verflüchtigt sich die Atmosphäre in weniger als tausend Jahren in den Weltraum. Die Erde wird ein toter Himmelskörper wie ihr Mond oder der Planet Merkur.“
Ich füge hinzu: „Natürlich ist alles organische Leben lange vorher abgestorben.“
Ich sehe, daß Grannitt betroffen ist. „Mein Gott!“ murmelt er. „Welch ein Ende!“
Ich erkläre Grannitt und
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