Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
Vom Netzwerk:
Fäusten. »Ach Martin«, fuhr sie traurig fort. »Wenn du überhaupt so heißt. Willst du wieder in meiner Wohnung schlafen?« Sie zupfte an seinem Ärmel. Ihn ausziehen, seine Haut spüren … Halt. Überführen musste sie ihn. Mit eigenen Augen sehen, ob er einer der Täter war. Ihn ausliefern. »Bei dieser Hitze schläft man am besten unbekleidet.«
    Martin verzog das Gesicht und stand auf. »Besser nicht, wer weiß, was dir im Dunkeln einfällt. Du bist gefährlich.«
    In einer zerbrochenen Fensterscheibe im Haus gegenüber spiegelten sich tiefrot die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Die Ruine glühte wie ein Holzscheit in einem Kachelofen, wenn man die Klappe öffnete.
    Anne zögerte, schließlich sagte sie: »Ich habe Angst, dass sie bei mir jemanden einquartieren. Flüchtlinge. Oder Polen. Ich kann nicht ertragen, wenn Fremde in Leopolds Wohnung ein und aus gehen. Kannst du nicht etwas für mich tun? Du scheinst einige wichtige Amerikaner zu kennen.«
    »Ich?« Martin klang erstaunt. »Bisher hatte ich den Eindruck, dass du nicht auf mich angewiesen sein möchtest.«
    »Ich hab es auch nicht ernst gemeint.« Sie fuhr mit dem Handrücken über den Deckel der Schachtel. »Kommst du wieder?«
    »Mal sehen.«
    »Wann?«, fragte Anne.
    »In Berlin –«
    Anne unterbrach ihn: »Ich weiß nicht einmal, was in Penzberg passiert, was geht mich Berlin an? Solange die Russen nicht hierher kommen, können sie dort machen, was sie wollen.«
    »Es gibt viel zu tun für uns.«
    »Wer ist ›uns‹?«
    »Uns Amerikaner.«
    »Irgendwann wirst du mir die Wahrheit sagen, oder?«
    Alle Anspannung war von ihr abgefallen. Sie musste niesen.
    »Ich kann Abschiede nicht leiden.«
    »Wohin gehst du«, versuchte sie ihn aufzuhalten.
    »Wir sind im Westen der Stadt stationiert, in hübschen Villen. Mit vier Wänden rund ums Bett. Ohne Absturzgefahr. Dahin gehe ich.«
    Er tippte sich grüßend an die Schläfen und verschwand. Plötzlich fühlte sie sich so einsam, dass es ihr fast das Herz zerriss.
    »Komm wieder«, flüsterte Anne unhörbar. Laut rief sie ihm hinterher: »Woher wusstest du, dass ich Katzen mag?«
    Martin drehte sich noch einmal um. »Ich hatte so einen Verdacht … Aber ersäuf sie nicht. Katzen mögen wie ich kein Wasser.«
    Als er weg war, öffnete Anne den Schuhkarton und nahm das Kätzchen heraus. Erst jetzt bemerkte sie, dass er mit 1000-Mark Scheinen ausgelegt war.

25
    »Heute habe ich dir etwas Besonderes mitgebracht.«
    Ferdinand stand mit vor Stolz geschwellter Brust am Bett. Katharina betrachtete ihn liegend. Er musste sich rasiert haben. Der Flaum über seinen Lippen war verschwunden. An seinem Kragen klebte noch Rasierschaum. Verwegen sah er aus, ganz in Schwarz und mit der weiten Bundfaltenhose. Sie trug ein blau-weißes Dirndl mit einer roten Schürze. Es passte gut zu seinem Aufzug. An den Füßen trug er Lederstiefelbis zu den Knien. Aber ordentlich geknüpft hatte er die Schnürsenkel nicht. Lauter Knoten waren darin. Ach, Ferdinand!
    »Was hast du dieses Mal kaputt gemacht?«, fragte sie, nicht ganz so spitz wie sonst.
    »Deine Instrumente habe ich alle verfeuert. Das Holz stinkt fürchterlich, wird einem nicht warm davon. Das Klavier ist auch bald dran. Und dann verbrenn ich dein Bett.«
    »Du Angeber! Außerdem ist es ein Flügel und kein Klavier.«
    Er achtete nicht darauf. »Mach die Augen zu. Ich bin gleich wieder da.«
    Katharina drehte sich unwillig auf den Bauch. Sie lauschte, wie Ferdinand erst die Treppe hinabpolterte und wenige Augenblicke später vorsichtig wieder heraufkam. Anscheinend trug er etwas. Es würde schon nichts Großartiges sein. Dennoch schlug ihr Herz wie verrückt und setzte für einen Moment aus, als er die Tür mit dem Fuß zuwarf. Wenn sie nur nicht von ihrem Bruder gestört würden! Hatte er seine Schusser wieder im Bad liegen lassen? Nicht, dass Ferdinand darauf ausrutschte. Doch es war zu spät um nachzuschauen.
    »Deinen Bruder habe ich beschäftigt«, sagte Ferdinand, als könnte er ihre Gedanken lesen.
    Er stellte einen schweren Gegenstand auf das Bett neben ihre Füße. Ihre rechte Wade stieß an etwas Kaltes, sie zuckte zusammen. Die Füße kribbelten. Ein Schloss schnappte auf. Geschäftig hantierte er an dem Teil herum.
    »Gleich ist es so weit«, sagte er gepresst. »Dreh dich ja nicht um, sonst erschlag ich dich.«
    Es scharrte und schepperte. Weiter geschah nichts. Eine lange, unendlich lange Minute. Katharina platzte fast vor Neugier. Ferdinand

Weitere Kostenlose Bücher