Der erste Tod der Cass McBride
Erdreich zurück, sonst würde es mich erdrücken und ersticken. Gegen meinen Sarg anzukämpfen, statt ihn zu akzeptieren, würde mich nur schneller töten.
Also gut, sagte ich zu mir selbst. Schluss jetzt, Cass. Hör auf damit und denk nach. Versuch, dich zu entspannen. Zen. Atme tief durch. Ich beruhigte mich, holte tief Atem, sanft und gleichmäßig, hielt die Luft kurz an und atmete dann langsam wieder aus. Noch einmal. Und noch einmal.
Schon besser. Und jetzt denk nicht daran, wo du dich befindest. Du bist im Dunkeln. In einem dunklen Raum und ruhst dich aus. Deine Augen sind geschlossen und du ruhst dich aus. Komm schon, Cass, du kriegst das hin. Konzentrier dich.
Denk nach. Langsam. Atme. Ein. Aus. Langsam.
Ich stellte mir vor, ich würde ausgestreckt auf einer nächtlichen Wiese liegen, mit geschlossenen Augen und den Sternen über mir.
Atme langsam. Ein. Aus. Langsam. Langsam.
Gut. Du wirst ruhiger. Gut.
Jetzt denk nach.
Konzentrier dich.
Angst ist eine Waffe.
Seine Waffe.
Jetzt gerade erschießt du dich mit seiner Waffe.
Akzeptier die Angst und kontrollier sie.
Kontrollier sie, verdammt noch mal.
Atme.
Langsam.
Ein und aus.
Geh es an.
Setz dich damit auseinander, wie Dad es tun würde.
Kyle Kirby.
Kyle Kirby hat mich in diese Kiste gesperrt und darin begraben und sagt, ich dürfe seinen Namen nicht aussprechen.
Hier geht es allein um Macht. Kyle hat die körperliche Kontrolle. Ich muss die geistige Kontrolle erlangen. Das fängt bei mir selbst an. Ich muss Kontrolle bekommen.
Kyle.
Kyle.
Kyle Kirhy.
Na also. Dein Name gehört mir.
Ich denke deinen Namen so oft ich will, Blödmann. Ich kontrolliere, was in meinem Kopf vor sich geht.
Aber dann brach erneut Panik über mich herein und ich atmete hart und hastig ein und aus. Warum fühlte sich die Dunkelheit so schwer an?
Atme.
Langsam.
Ein und aus.
Denk nicht daran, wo du bist.
Verbann das Wo aus deinem Kopf. Konzentrier dich darauf, warum du hier bist.
Antwort: David Kirby.
Ich schloss die Augen und Tränen quollen hervor.
David Kirby.
Der Loser David Kirby wollte sich mit mir verabreden. Wie konnte er es bloß wagen, ausgerechnet mich zu fragen. Ich fasse es nicht.
Für ein Date muss der sich schon ziemlich weit ans Ende der Nahrungskette begeben. Oh Gott, und ich dachte, er sei schwul.
Wenn unsere Schulgestapo Mobiltelefone nicht verbieten würde, könnten wir uns SMS schreiben und nichts von all dem wäre passiert. Aber so habe ich das auf einen Zettel gekritzelt, ihn zweimal zusammengefaltet und dann noch einmal. Anschließend deponierte ich die Nachricht unter meinem Sitz im Klassenraum für Amerikanische Geschichte.
Erica würde in der nächsten Stunde hier Unterricht haben. Sie kam vom anderen Ende des Campus und ich musste in die entgegengesetzte Richtung zur nächsten Stunde flitzen. Ich konnte also nicht auf sie warten, um ihr den Zettel selbst zu geben. Seit September ließen wir uns über diesen toten Briefkasten Botschaften zukommen. Das CIA-mäßige Nachrichtensystem hatten wir uns in der Sechsten mal ausgedacht, als wir noch davon träumten, Spione zu sein.
David Kirby war vor dem Unterricht unbeholfen auf mich zugeschlichen, zupfte nervös an seinem Ohrläppchen herum und sagte, nachdem er sich geräuspert hatte: »Ähm, Cass, ich wollte dich was fragen.«
Normalerweise wäre ich geradewegs an ihm vorbeigerauscht, aber ich war zu verblüfft. David Kirby. Ein totaler Loser - oder vielmehr der totale Loser. Hatte er mich tatsächlich angesprochen?
Es war nicht so, dass er eine Made auf zwei Beinen war. Er war nicht hässlich, aber auch in keiner Weise gut aussehend. Sein Gesicht war zu lang, sein Gesichtsausdruck auch. Ein Blick wie ein Spaniel, nicht süß, unterwürfig bettelnd. Ein Typ, den du wegschubsen möchtest. Er war dünn, trug immer Klamotten, die eine Nummer zu groß waren. Es sah aus, als wären seine einzelnen Knochen willkürlich irgendwie in Hemd und Hose gesteckt worden. Er trug immer langärmelige Hemden, bis zum Hals zugeknöpft. Gute Marken - Hilfiger, Lauren, Abercrombie & Fitch -, aber so wie er sie trug, verloren sie jegliche Coolness.
David Kirby zählte zu den Kids, die in ihren Spind gesperrt wurden oder denen man in der Sportumkleide die Pobacken mit Klebeband zusammenklebte, das heißt, wenn er überhaupt beachtet wurde. Mit einem Mädchen habe ich ihn nie gesehen. Ausgeschlossen. Er schlich immer nur allein herum. Er gehörte nicht zu den Metallern, nicht zu den
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