Der erste Tod der Cass McBride
sich in seinem Sessel bequem gemacht und seine Krawatte gelockert hatte. Es hätte nur noch gefehlt, dass ich ihm wie ein Labrador die Pantoffeln im Maul brachte.
Er tippte dann immer anerkennend an sein Glas. Dad betrank sich nie, aber wenn sein Atem nach Al kohol roch und er eine entspannte Haltung einnahm, bedeutete das, er war bereit, mir die Geheimnisse von »Teds Welt« zu offenbaren - der Welt der Verkaufs - und Verhandlungskunst.
In einer wichtigen Unterrichtsstunde durchbohrte mich Ted mit seinen stahlblauen Augen. »Man infor miert sich über seinen Kunden ebenso genau wie über das Produkt.« Ted setzte sein Glas ab. »Erklär mir, warum.«
»Man kann kein Produkt verkaufen, wenn es nicht den Bedürfnissen des Kunden entspricht?«
Ted nickte zufrieden, doch dann schlug er mit der Hand auf den Tisch, was mich zusammenzucken ließ.
»Formuliere deine Aussagen nie als Frage. Ant worte mit Autorität. Wenn du mit Autorität sprichst, hören die Leute dir zu. Beweg dich mit Selbstver trauen. Blicke immer geradeaus, aber achte auf die Menschen um dich herum, indem du die Fähigkeit zum peripheren Sehen nutzt. Lass dich nie unvorbe reitet von etwas überraschen. Nichts ist unwichtig, Cass. Jedes Detail ist wichtig.«
Manchmal spielten wir Schach und er unterwies mich in den Lehren seiner Welt, während er seine Fi guren aus Mattglas auf dem Brett bewegte.
»Aus gutem Grund nennt man eine Verkaufskam pagne auch einen Feldzug. Es ist eine Art von Kriegs kunst. Der Verkauf bedeutet Sieg. Das Schlachtfeld ist dein Verstand und Worte sind deine Waffen.«
Ich habe ihn nie im Schach geschlagen. Einmal bot ich ihm Schach mit meiner Königin aus durchsichti gem Glas. Ich konnte sein Lächeln nicht deuten. Dann, mit nur einem Zug, entzog er sich der Gefahr. Und zwei Spielzüge später war ich schachmatt.
»Unterschätze nie deinen Gegner, Cass. In der Kunst des Handels dauert das Spiel, bis es endgültig entschieden ist. Und gib nie einem Gegner Gelegen heit, wieder aufzustehen. Lass ihm keine Chance, dir deinen Gewinn zu nehmen.«
Er stieß meinen König mit seinem König um und legte seine Figur anschließend behutsam zurück in das gepolsterte Kästchen.
Ich weiß nicht, ob ich Dad danach jemals wieder völlig vertraut habe. Ich glaube, er wollte, dass ich ge nau das dabei lernte.
Einmal lehnte er sich in seinem Sessel vor und for derte mich mit einer Geste auf, näher zu kommen, als wollte er mich in das größte Geheimnis überhaupt einweihen. »Du verkaufst dem Kunden nicht das Pro dukt, Cass. Du verkaufst ihm seine eigenen Selbst zweifel. Du verkaufst ihm seine Unzulänglichkei ten.«
Wahrscheinlich bemerkte er meinen zweifelnden Blick, denn er lehnte sich noch weiter vor und pochte auf die Tischplatte aus Chrom. »Du musst herausfin den, was er an sich selbst vermisst, und du bindest eine Schleife darum und verkaufst es ihm.« Er lehnte sich wieder im Sessel zurück und nippte an seinem Drink. »Das funktioniert todsicher.«
Während Dad unverwandt auf die Wand starrte, schoss mir die Frage durch den Kopf, welchen meiner Selbstzweifel er mir wohl verkauft hatte. Aber ich schob den Gedanken beiseite. Damals.
Als ich älter wurde, nervte es mich, dass sich unsere Gespräche ausschließlich um das Thema »Teds Welt« drehten. Trotzdem setzte ich mich weiterhin abends zu ihm und hörte ihm zu. Ich wusste, was passierte, wenn Ted das Interesse an jemandem verlor.
Dad ließ die Glastür zu unserem neuen Haus auf schwingen und ich stürmte hinein.
»Mom, schau mal! Das sind lauter neue Sachen! Das ist wie im Paradies!«
Das Haus war ganz in Weiß gehalten, Weiß- und Cremetöne. Glas und Chrom. Ich fühlte mich wie in eine Wolke gehüllt, schwebte durch die Gänge und in mein Zimmer, ebenfalls ganz in Weißschattierungen. Das Haus schmiegte sich um den einzigen Farbfleck, den glitzernden türkisfarbenen Pool.
»Mom, kommst du nicht rein?«
Ich war schon durch das gesamte Haus gerannt und Mom stand immer noch wie angewurzelt auf der Türschwelle.
»Du hast das Haus gekauft, ohne mit mir darüber zu sprechen, Ted? Du hast die komplette Einrichtung gekauft?«
»Ich habe einen Raumgestalter damit beauftragt. Wir nehmen nichts aus dem alten Haus mit.«
»Lauter neue Kleider!«, kreischte ich begeistert.
»Klar«, erwiderte Dad. »Pastelltöne und Türkis, Creme und Weiß - nur Farben, die gut zum Haus passen.«
Dad blickte Mom an. »Nicht dieses grässliche Braun, das du immer trägst, Leatha. Das
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