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Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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Frustration in seiner Stimme.
    Konnte ich da ansetzen?
    Ich wischte mir die Nase ab und räusperte mich mit ausgeschaltetem Funkgerät. Dann drückte ich wieder auf den Knopf.
    »Da ist eine Sache, die ich nicht kapiere ...«, begann ich.
    Nichts.
    »Ich hätte erwartet, dass David den Zettel jemandem zeigt. Den Leuten zeigt, wie ätzend ich bin. Das würde ich tun. Wenn mich jemand verletzt, dann gehe ich zum Gegenangriff über, weißt du?«
    »Nicht alle sind wie du.«
    »Aber du schon«, erwiderte ich, wobei ich mich so sanft und ungezwungen wie möglich ausdrückte. »Ich habe deinen Bruder verletzt und du hast mich ins Visier genommen und angegriffen. Das kann ich nachvollziehen, das leuchtet mir ein.«
    Schritte. Er ging über mir auf und ab.
    »Aber David hat nicht mich verletzt, sondern sich selbst. Das will mir nicht in den Kopf. Wieso tut jemand so etwas? Und warum wegen eines Zettels, den ich geschrieben habe? Der nur beweist, dass ich eine überhebliche Zicke bin. David muss doch clever genug gewesen sein, um das zu erkennen.«
    Er ging weiter auf und ab.
    Ich redete weiter.
    »Ich kannte David nicht. Aber er muss etwas Besonderes gewesen sein, wenn du mit so einer ... Tat... reagierst. Er kann kein Loser gewesen sein. Du hast gesagt, er war kein Niemand. Dann musste er doch erkennen, wie ich wirklich bin. Du tust es doch auch.«
    »Halt die Klappe!«
    Da.
    Da war es.
    Kyle verlor die Kontrolle.
    Diesmal nicht mir gegenüber. Sondern an mich. Ein entscheidender Unterschied!
    Ich wusste, das war nicht von Dauer. Er war immer noch da oben und ich hier unten, aber es war das erste Gefecht, in dem ich die Oberhand gewonnen hatte. Jetzt musste ich meine Position halten.
    »Schon klar«, erwiderte ich. »Die Klappe halten.«
    »Gib einfach mal Ruhe. Du bist genau wie sie, weißt du. Du hältst nie den Mund. Ständig haben wir das Gezeter in den Ohren und nie gibt es ...« Er verstummte.
    Wovon zum Teufel redete er? Sie wer?
    »Du möchtest etwas über David erfahren? Dann will ich dir mal was über meinen kleinen Bruder erzählen.«

 
BEN
    Ben kritzelte David Kirbys Namen auf die Tafel. Er machte ein finsteres Gesicht. »Roger?«
    Roger war dabei, ein Tonbandgerät aufzustellen. »Das ist die aufschlussreichste Befragung, die ich aufgenommen habe. Die Englischlehrerin. Aufgrund von Stundenplanänderungen war Cass in der neunten und zehnten Klasse, also als Freshman und als Sophomore, in ihren Kursen.«
    »Dann hören wir uns das mal an«, sagte Ben.
    »Für das Protokoll: Befragung von Cynthia Forman. Sie unterrichtet an der Sterling Valley Highschool. Die Befragung führt Officer Roger Oakley.«
    »Also, Sie möchten etwas über Cass McBride hö ren. Ob sie beliebt war? Der Begriff wird nicht mehr so gebraucht wie zu meiner Schulzeit. Cass und ihre Freundinnen sind das, was man heute >Lebenslauf- Perfektionierer< nennt. Sie ist wohlhabend und at traktiv und glücklicherweise auch recht intelligent. Diese Lebenslauf-Perfektionierer kandidieren für die Schülermitverwaltung, weil sich das als zusätzlicher Pluspunkt im Lebenslauf ausnimmt. Gute Noten genügen heute nicht mehr, um einen Platz an einer Top-Uni zu ergattern. Ein Mädchen wie Cass will Prom Queen, Homecoming-Queen und Präsidentin der SMV werden, um ihr Highschool-Profil aufzuwerten, und sie will sich möglichst überall ins rechte Licht rü cken.
    Die Kids, die sich nicht an einer der Elite-Unis be werben, überlassen den Lebenslauf-Perfektionierern sämtliche Auszeichnungen. Brauchen sie nicht. Wol len sie nicht. Machen sich nichts draus. Und so hältst du am Schluss ein Jahrbuch in Händen, in dem dir von allen Bildern derselbe Kader entgegenblickt. Nun ja, sie sitzen natürlich auch in der Redaktion des Jahrbuchs. Und echte Durchstarter wie Cass erwei tern ihren Aktionsradius über die Schule hinaus: Cass meldet sich beim Tierschutzverein als Freiwil lige für den Hundewaschtag und sorgt dafür, dass sie im Blickfeld ist, wenn Fotos gemacht werden. Bei der Aktion >Saubere Straße< ist sie zur Stelle und sie ist natürlich auf dem Bild in der Zeitung.
    Cass ist nicht so kalt, wie das jetzt klingen mag. Sie baut eine gelungene Fassade auf, aber eigentlich ist sie nur ein kleines Mädchen, dem man unter den Rock sehen kann. Ah, ich sehe, was Sie für ein Gesicht machen, Officer. Das ist nur eine alte Redewendung aus den Südstaaten und bedeutet, sie zeigt Dinge, von denen sie nicht weiß, dass sie sie zeigt.
    Als wir uns im Kurs mit Gedichten

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