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Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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verstummte.
    »Was?«
    »Der Geschichtslehrer wirkte völlig aufgelöst. Sagte, dass er nun schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche von der Polizei befragt wird. Der Junge, der sich umgebracht hat, war auch in einem seiner Kurse.«
    Ben lehnte sich vor. »Und Cass ...«
    »Ob sie ihn kannte?«, führte Roger Bens Gedanken zu Ende.
    »Sie war mit ihm im Geschichtsunterricht, aber der Lehrer, ein Sporttrainer, sagte, die beiden bewegten sich nicht in denselben Kreisen. Der Junge sei zu niedrig geflogen, um überhaupt auf ihrem Radar zu erscheinen. Genau genommen, um überhaupt von irgendjemandem wahrgenommen zu werden. Er glaubt nicht, dass Cass auch nur seinen Namen kennen würde, wenn sie nicht für ihn an dem Tag, als sein Tod bekannt gegeben wurde, im Unterricht eine Schweigeminute eingelegt hätten.«
    »Wir müssen ...«
    »Ich habe mich schon über den Jungen informiert. David Kirby. Der Selbstmord wurde von den Ermittlern als Todesursache bestätigt. Kein Hinweis darauf, dass etwas faul an der Sache ist. Am Körper des Jungen war mit einer Nadel ein Zettel befestigt. Ich habe mit dem ermittelnden Beamten gesprochen. Laut ihm ist die Mutter diejenige, die man hängen sollte. Die Frau muss eine fiese Giftspritze sein. Ich habe McBride angerufen und gefragt, ob Cass den Kirby-Jungen kannte. Er sagte Nein. Er wusste nicht einmal vom Tod des Jungen. Und Cass sei bei keiner Beerdigung gewesen. Sieht nicht so aus, als ob es da eine Verbindung gäbe.«
    Ben und Roger blickten sich an. »Trotzdem ...«, sagte Ben.
    »Trotzdem, irgendwas an der Geschichte passt nicht«, pflichtete ihm Roger bei. »Oder passt vielleicht nur zu gut.«
    Ben warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist zwei Uhr morgens. Sehen wir zu, dass wir eine Mütze Schlaf bekommen und morgen um sieben treffen wir uns wieder hier und hören uns das Band der Lehrerin an.«

 
KYLE
    »Sie wollte nicht viel mit ihm zu tun haben. Außer wenn sie ihn beschimpfte. Er war wie ein kleines Hündchen, süß, aber ich musste ständig auf ihn aufpassen. Er konnte nicht selbst auf sich achtgeben. Jeder hätte ihn mit einem ordentlichen Tritt umbringen können. Als wir klein waren, habe ich mich gern um ihn gekümmert. Doch als er in die Schule kam, wurde er von den anderen drangsaliert. Er wusste sich nicht zu wehren. Ein Kind, das zu viel will, strahlt so etwas aus. Ich meine, ein Kind, das unbedingt gemocht werden will. Schulkinder wittern diesen Hauch von Verzweiflung an dir und verwandeln sich in hungrige Haie, die Blut gerochen haben.
    Ich wollte cool sein, lässig, ein Typ mit Tiefgang, der sich im Hintergrund hält. Doch ständig musste ich David retten. Zu Hause war ich das gewohnt, aber jetzt kam er nicht mal mit ein paar verfluchten Erstklässlern klar. Ich wurde es leid. Immer nur Dramen, ständig Geheule, Gerede und Gejammer. Ich habe David geliebt. Ich habe ihn geliebt. Und er brauchte mich. Aber bei Gott, er war die Ursache all meiner Probleme. Na ja, zumindest habe ich es damals so empfunden.
    Ich dachte, es würde besser werden, als ich auszog, um aufs College zu gehen. Aber das war nicht der Fall. Im Gegenteil, es wurde so viel schlimmer.«

 
CASS
    Bei diesen Worten stürzte ich geradewegs in die Tiefen des Kaninchenlochs, wie Alice im Wunderland.
    »Worte sind Zähne... Fressen mich bei lebendigem Leib auf... Verschlingt stattdessen meine Leiche«
    Tränen brannten mir in den Augen. Wie verzweifelt musste ein Mensch sein, um so etwas zu schreiben? Um sich so zu fühlen? David Kirby hatte sich gefühlt, als würde man ihn bei lebendigem Leib auffressen? Er wollte lieber tot sein, als weiter die Zähne zu spüren - von Leuten wie mir?
    Soweit ich zurückdenken konnte, war es das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit jemand anderem als mir selbst Mitleid hatte.
    »Fällt dir nichts mehr ein?«
    Ich wollte nicht antworten, aber ich dachte an die Erde, die dann durch den Luftschlauch rieseln würde. »Nein«, flüsterte ich.
    »Nein?«, auch er flüsterte. Er schien sich direkt neben mir in der Dunkelheit zu befinden. »Kein schlauer Spruch? Nichts zur Nahrungskette? Willst du nicht wieder jemanden schwul nennen?«
    Wie manövriert man sich aus einer Sache raus, für die man womöglich selbst die Schuld trägt?
    Mir wurde wieder kalt. Diesmal von innen heraus. Das bislang flüchtige Gefühl, die Lage nicht im Griff zu haben, mein Ziel nicht erreichen zu können, war gar nicht mehr so flüchtig.
    Aber ich wollte überleben.
    Ich musste es trotz allem

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