Der erste Tod der Cass McBride
beschäftigten, lieferte Cass recht interessante Arbeiten ab. Ich lese ihnen mal eines ihrer Gedichte vor:
Ich erklimme meines Vaters aufragende Wand der Erwartung,
Indes die Überzeugung, mit der er mir bereits den höchsten Gipfel bestimmt,
Von dem Nichts kündet, das er von mir im Jetzt wahrnimmt.
Die steile Wand zieht mich an,
Fasziniert mich,
Obwohl ich nicht weich fallen kann.
Wage ich es nicht,
Bleibe ich in der Kälte zurück.
Ich hatte es nie besonders mit Gedichten, aber läuten bei dem Kram mit den >Erwartungen< ihres Vaters bei Ihnen nicht die Alarmglocken?
Ihre schmutzige Fantasie geht mit Ihnen durch, Officer. Nein, ich denke nicht, dass es um sexuellen Missbrauch geht. Aber Teds Liebe zu Cass ist an Be dingungen geknüpft. Und in ihrem tiefsten Inneren weiß sie das. Sie tut mir leid. Ich weiß, Mitleid mit dem armen reichen Mädchen - wie abgedroschen.
Was ich glaube, wer sie entführt hat? Es ist mir ein absolutes Rätsel. Ihr Vater ist zwar wohlhabend, aber so reich nun auch wieder nicht. Bleibt zu hoffen, dass die Kidnapper ihn für einen reichen Mann halten und sie lebt.«
»Gute Arbeit, Roger. Das passt alles recht gut zu dem Gedichtband, den wir im Nachttisch des Mädchens gefunden haben.« Ben starrte auf die Tafel. »Das Mädchen hat Probleme mit seinem Vater, aber ich sehe da keinerlei Zusammenhang mit der Entführung, ihr etwa?«
Er blickte seine Mitarbeiter fragend an und strich dann Ted McBrides Namen auf der Tafel durch.
»Du warst mit dem Eingemachten betraut.« Ben wandte sich an die Polizistin in seinem Einsatzteam.
»Ja, mit dem engen Freundeskreis«, erwiderte sie. »Ich habe alle befragt, bis auf den derzeitigen Freund und ihre beste Freundin. Die beiden warten auf dich in den Vernehmungsräumen.« Ihr Notizbuch war aufgeklappt, aber sie blickte nicht hinein. »Mit einer Gruppe von Mädchen verbringt Cass regelmäßig Zeit. Alle haben begüterte Eltern, Luxusvillen und -autos, teure Klamotten, schicke Haarschnitte. Der typische Lebensstil von reichen Kids. Zwei wurden wegen kleinerer Drogengeschichten hochgenommen. Keine große Sache und Papas Anwälte haben alles bereinigt. Alles in allem aber keine schlechten Kids. Sie können sich nicht auf dem Vermögen der Eltern ausruhen, so reich sind sie nicht. Sie müssen etwas lernen, um ihren privilegierten Lebensstil aufrechtzuerhalten. So kommen sie nicht auf dumme Gedanken.
Mit den Jungs ist es dasselbe. Sie sind ziemlich in Ordnung. Wenn man sie erst mal von ihrem Gepose abgebracht hat, bekommt man von allen dieselbe Antwort: Cass sieht in den Jungs von der Highschool nichts als Statisten und Übungsmaterial für ihre Selbstinszenierung. Wenn ich sie richtig einschätze, dann geht sie während der Football-Saison mit dem Kapitän der Footballmannschaft aus, während der Basketball-Saison mit dem Star der Basketballer.«
Tyrell pfiff durch die Zähne. »Ein Genitalschoner.«
Die Polizistin seufzte. »Ich trage eine Waffe und werde Gebrauch davon machen!«
Tyrell ergab sich mit erhobenen Händen.
»Ihr wisst, was das meiner Meinung nach bedeutet?«, fragte sie.
Ben nickte. »Sie ist einfach nur ein Teenager.«
»So sehe ich das.«
»Tyrell, befrag noch mal die Lehrer und den Schulleiter wegen David Kirby. Derartige Zufälle schmecken mir nicht. Und hier haben wir es schon mit einem gewaltigen Zufall zu tun. Und dann mach den Kriminaltechnikern Feuer unterm Hintern, damit sie uns die Ergebnisse der chemischen Analysen liefern«, ordnete Bill an. Er starrte wieder auf die Tafel. »Uns läuft die Zeit davon.«
KYLE
Ich presste mir die Handflächen auf die Ohren. Versuchte, die Stimme auszublenden. Aber die Stimme war in meinem Kopf. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, nicht zu denken, doch sie verstummte einfach nicht. Die Stimme am Telefon, in meinem Ohr, an dem Abend, als ich mir den Plan ausdachte.
»Sie zerfleischt mich, Kyle. Komm nach Hause. Wenn du da bist, ist es nicht so schlimm.«
»Geh ihr doch einfach aus dem Weg, David, du kannst...«
»Kann ich nicht. Du weißt, wie sie ist.«
»Ich weiß. Ich versteh dich ja und ich weiß, wie es ist.«
Ich ging im Zimmer auf und ab und hörte Davids abgehacktes Atmen an meinem Ohr. Hielt das Tele fon etwas weg, um nachdenken zu können. Es war ge rade einmal Oktober und dieses Schuljahr war jetzt schon furchtbarer als das letzte. Wenn ich weg war, behandelte Mom David schlimmer, als wenn ich zu Hause war.
Was konnte David bloß tun, um ...
Ich
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