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Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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soll.
    »Ich habe mir gerade in die Hose gemacht. Und weißt du, welcher Gedanke mir als Erstes durch den Kopf ging?«
    »Ich kann es gar nicht erwarten, dass du es mir erzählst.« Gut, schalte eine Stufe runter, von Wut zu Sarkasmus. »Ich musste daran denken, dass der weiße Pyjama aus Leinen ist und ich die Flecken nie rausbekomme.« Ich hielt den Knopf gedrückt und verwandelte mein Schluchzen in ein Lachen. Ein Lachen, das aus einem Schluchzer hervorgeht, hat etwas Düsteres, aber Kyle muss es geschluckt haben.
    »Idiotin«, erwiderte er. Aber der Sarkasmus war aus seiner Stimme verschwunden. Er klang amüsiert. »Zunächst mal hast du dir schon in die Hose gemacht, bevor du überhaupt in der Kiste warst. Der Schlafanzug war also bereits verloren.«
    Wir ließen beide den ironischen Klang eine Weile in der Luft hängen.
    »Als ich dich bewusstlos auf dem Boden liegen sah, hat mich etwas verblüfft. Dein Pyjama. Nicht weil er ganz weiß ist. Aber weil es ein Männerschlafanzug ist.«
    Schlag jetzt einen sanften Ton an, fast schon de mütig. Du darfst ihn nicht verstimmen, säe nur Zweifel, aber forciere es nicht.
    »Und ... was genau hattest du erwartet?«
    »Bist du eine Lesbe?«
    Allein dafür wollte ich aus dieser Kiste raus und ihn windelweich prügeln - weil er so ein Vollpfosten war. Ich trommelte mit den Fersen gegen den Kistenboden, damit der Schmerz mir meine Beherrschung wiedergab.
    »Das ist der Grund, oder? Deshalb hast du David so fies abgeschossen«, fuhr er fort.
    »Nein. Warum fangen Leute immer damit an, wenn ... vergiss es. Ich bin nicht lesbisch. Aber ich bin auch keine, die ständig ihre Reize zur Schau stellen muss, um zu sehen, wer am meisten bietet. Ich bin kein Babe.«
    »Was bist du dann?«
    Diesmal schwieg ich. Er hatte mich kalt erwischt.
    »Ich ... ich weiß es nicht.«
    Ganz ehrlich, ich konnte es nicht sagen. Das musste daran liegen, dass ich mich zunehmend benommen und benebelt fühlte.
    »Ich möchte nicht über mich sprechen. Ich möchte etwas über David erfahren. Du wolltest mir gerade erzählen -«
    »Wann ich meine Mom durchschaut habe. Du redest zu viel, hackst immer wieder auf denselben Dingen rum - genau wie sie. Wenn sie sich auf eine Sache eingeschossen hatte, war sie nicht zu bremsen. Sie hörte einfach nicht mehr auf. Und wenn David oder ich das Zimmer verließen, folgte sie uns und redete weiter auf uns ein. Mit Dad hat sie das auch gemacht, aber der floh dann immer.«
    »Wie?«
    »Er hatte seinen Job. Vertreter sind ständig unterwegs. Ich bin mir sicher, dass er seine Geschäftsreisen ausdehnte, statt nach Hause zu kommen.«
    »Er hat euch beide mit ihr allein gelassen?«
    »Jep.«
    »Wusste er, dass sie David ständig drangsalierte und dich anschrie?«
    »Das wusste er.«
    Ich sagte eine Weile nichts, dachte ernsthaft darüber nach. Keine strategischen Überlegungen. Ich versuchte, mir vorzustellen, was das für ein Kerl sein musste, der seine Kinder mit einer so abscheulichen Frau allein ließ.
    »Ähm, aber das heißt doch, er fuhr weg, obwohl er wusste, dass sie ihre Kugeln auf zwei statt auf drei Zielobjekte abfeuerte?«
    Keine Antwort.
    »Und er wusste, dass sie sich vor allem auf David eingeschossen hatte?«
    »Willst du mich dazu bringen, auch noch meinen Vater zu hassen?«
    Beschwichtige ihn, korrigiere die Richtung. »Nein. Du hast gesagt, du hältst dich für einen schlechten Menschen, weil du David nicht beschützt hast.« Das hat er zwar nie gesagt, aber gemeint. Wenn der Käufer seine Karten nicht aufdeckt, muss der Ver käufer das für ihn übernehmen. »Aber du warst selbst ein Kind. Es wäre an dem anderen Erwachsenen im Haus, deinem Dad, gewesen, David zu beschützen. Das hat er nicht getan. Er hat sich aus dem Staub gemacht. Wie solltest du dich seihst schützen und dich dann auch noch um David kümmern?«
    Lass ihn einen Moment darüber nachdenken.
    »Es muss die Hölle für dich gewesen sein«, schob ich nach. Es rutschte mir heraus, bevor ich die Vor- und Nachteile abwägen konnte.
    »Beim Frühstück.«
    Frühstück? Welcher Gehirnblähung war das denn entsprungen? »Ich kann nicht folgen«, erwiderte ich.
    »Da habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass sie uns unterschiedlich behandelte. Beim Frühstück.«
    »Ach.«
    »Er musste Suppe essen«, erzählte Kyle. »Ich war in der dritten Klasse und David im Kindergarten. Mom machte Pfannkuchen, stellte einen Teller vor mich hin, goss mir Saft ein und lud Rührei auf ihren und meinen Teller. David

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