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Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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sagte sie, er solle sich selbst um sein Frühstück kümmern. Er sagte nichts, aber blickte von meinem zu Moms Teller und dann sah er unsere Mutter an. Sie erklärte, sie sei es leid, für ihn zu kochen, weil er immer daran herummäkele. Sie äffte ihn nach.«
    Kyle nahm eine hohe, fiese Stimme an, es klang wie ein schrilles Gewinsel: »Eier mag ich NICHT. Der Pfannkuchen ist gar nicht richtig RUND, der ist SCHLEIMIG.«
    Machte er seine Mutter nach, wie sie David nachäffte? Ich war allmählich verwirrt. Wie würde er reagieren, wenn ich um Wasser bitte? Seine Stimme unterbrach meine Gedanken.
    »Mom sagte ihm, dass er sich selbst um sein Essen kümmern könne, wenn ihm nicht schmeckt, was sie kocht. David kletterte auf einen Stuhl, um im Schrank nach Frühstücksflocken zu suchen, aber er fand keine und Mom sagte ihm, er müsse härter werden.
    David fand eine Dose Suppe mit Aufreißdeckel. Er aß sie kalt, weil er nicht wusste, wie man die Mikrowelle bedient.
    Er aß mehr als einen Monat lang Dosensuppen. Zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendessen. Sie quälte ihn, damit er nie vergaß, welchen Preis sein Genörgel hatte.«
    »Sie hat deinem Bruder nichts zu essen gegeben? Habe ich das richtig verstanden?«
    »Sie hat die Suppen gekauft, also hat sie ihn nicht direkt verhungern lassen.«
    Ich ließ das unkommentiert stehen.
    »Er war immer wirklich gut angezogen«, sagte ich nach einer Weile.
    »Klar, waren wir beide. Sie ging gern shoppen. Und sie wollte den Leuten zeigen, dass wir gute Marken trugen. Dabei ging es um sie, nicht um David.«
    »Es wirkte irgendwie, ich weiß nicht, so als ob er sich unbehaglich in seinen Klamotten fühlt«, sagte ich.
    »Sie zeterte immer herum, weißt du.« Kyles Stimme wurde wieder schrill. »>Ich kaufe dir das Beste vom Besten und du siehst immer noch aus wie ein Versager. Mach den obersten Knopf auf. Bist du zu blöd, um ein Hemd richtig zu tragen? Steck es glatt in den Bund, stopf es nicht einfach so rein. Das sieht ja aus, als ob du die Hosen voll hättest. Und warum um Himmels willen hast du den Gürtel bis unter die Achseln hochgezogen? Dir gelingt es wirklich, alles zu ruinieren.< Wenn ich in einem solchen Moment in ihr Blickfeld geriet, forderte sie ihn entweder auf, sich an mir ein Beispiel zu nehmen, oder schnauzte mich an, was es denn da zu glotzen gebe oder warum ich sie nicht unterstütze.«
    Sein Funkgerät verstummte mit einem Klicken. Dann ging es noch einmal an. »Ich kann jetzt nicht weitersprechen.« Und er schaltete es wieder aus.
    Nichts.
    Lange nichts.
    Nein, nein, nein. Ich wollte jetzt nicht allein sein. Ich brauchte ihn hier. Ich konnte ihn nicht bearbeiten, wenn er nicht hier war. Wenn er nicht mit mir sprach. Ich hatte keine Macht über ihn, wenn er nicht da war. Wenn Kyle mit mir sprach, dachte ich nicht darüber nach, wo ich mich befand.
    Ich wollte nach ihm rufen, aber ich befürchtete, dass ich stattdessen vielleicht anfangen würde, zu weinen. Es war fast so, als vermisste ich ihn. Er war mein Trost, das Einzige, was mich vor dem Alleinsein rettete, doch er war einfach außer Reichweite, ein wenig wie mein Vater. Mein Gott ich benahm mich schon genauso jämmerlich wie Kyle.
    Mir wurde kalt. Nicht kühl, sondern schmerzhaft kalt. Schüttelfrost, der gar nicht mehr aufhörte. Muskelzittern, das den ganzen Körper erfasste. Fiel die Temperatur? Oder spürte ich die Kälte einfach nur deutlicher, wenn kein Gespräch meine Aufmerksamkeit fesselte ...?
    Kyle war weg. Da war ich mir sicher. Ich glaubte nicht, dass er endgültig gegangen war. Aber konnte ich diese Kälte durchstehen? Wie lange war ich schon hier?
    Ich zog meine Knie an, soweit es die Kiste erlaubte, dann streckte ich sie wieder. Meine Gelenke rieben aneinander. Alle Gelenke schmerzten und knirschten, wenn ich sie bewegte. Äußerte sich so die einsetzende Austrocknung? Mein Mund war trocken und meine Zunge fühlte sich zu groß an. Die Kopfschmerzen waren bestimmt kein gutes Zeichen. Wie ist es, wenn man verdurstet? Würden meine Zellen meinem Blut das Wasser entziehen?
    Meine Brust hob sich bei einem Schluchzen, aber es kamen keine Tränen. Meine Augen fühlten sich »juckig« an. Ein Ausdruck, den meine Mom immer gebrauchte. Sie nannte mich auch ihr »Bèbé«, als ich noch klein war. Bevor ich beschloss, sie peinlich zu finden.
    »Was zum Teufel hast du getan?« Dad war rasend vor Wut. Mom kam dazu. Sie wirkte erschrocken, aber sie kniete sich hin, um mir in die Augen zu

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