Der erste Tod der Cass McBride
guten Eigenschaften. Vielleicht bringt mich das weiter.«
Erica sprach mit leiser Stimme und vermied Blickkontakt. »Cass hat einen beißenden Humor und normalerweise macht sie Witze auf Kosten anderer. Hinter ihrem Rücken. Sie kränkt niemanden offen heraus, wissen Sie.« Erica machte eine Pause. Blickte auf. »Das klingt fies. Ich weiß. Aber so ist es an der Highschool. Die Leute sind so. Und Cass hat einen Blick dafür, an anderen Eigenheiten wahrzunehmen, Kleinigkeiten, die sie sich rauspicken und übertreiben kann. Auf Partys hat sie oft unglaublich treffend Leute imitiert. Wir konnten nicht anders, als uns darüber kaputtzulachen. Aber manchmal wird es gemein und dann wünschte ich, sie würde mal von ihrem hohen Ross heruntersteigen.«
»Hat sie sich damit Feinde gemacht?«, fragte Ben.
»Unter den Jungs nie. Cass war vorsichtig. Wenn sie sich über einen Typen lustig machte, wo alle sie sehen oder hören konnten, dann immer nur auf die witzige Tour, sodass sie ihn nicht in Verlegenheit brachte. Es war eher schon eine Art Kompliment. Mädchen gegenüber konnte sie ein wenig boshafter werden. Aber ich kenne niemanden, der richtig Hass auf Cass hat.«
»Standet ihr euch so nahe, dass Cass dir intime Dinge aus ihrem Leben anvertraute?«
Erica wurde rot. »Sie meinen über Sex?«
Ben antwortete mit einem knappen Nicken.
»Ich weiß, dass sie noch Jungfrau ist.«
»Und was sagst du dazu, dass uns jemand erzählt hat, sie sei schwanger?«
»Da müssen Sie wohl mit einem Dummkopf gesprochen haben oder mit jemandem, der mit der Behauptung etwas Bestimmtes bezwecken will.«
»Okay, wechseln wir das Thema. Kanntest du David Kirby?«, wollte Ben wissen.
Erica hatte den Kopf gesenkt und starrte konzentriert auf ihre Hände, als würde sie sich schämen, ihre Freundin zu kritisieren. Ihre Augen schienen langsam den Kopf nach oben zu ziehen, mit einem fragenden, fast schon angstvollen Blick.
Ben witterte ein Geheimnis.
Er beugte sich vor.
»David Kirby?«, wiederholte Erica. »Was hat der damit zu tun? Ich meine, er ist tot. Er starb, bevor Cass gekidnappt wurde. Sie wurde doch gekidnappt, oder? Sie haben gefragt, wer sie entführt haben könnte?«
»Erica, was weißt du über Cass und David Kirby?«, hakte Ben nach.
»Nichts.« Sie sah Ben an und ihr Blick wanderte dann hinüber zu Scott. »Ehrlich, da war nichts. Meine Mom erhielt einen Anruf wegen ihm. Sie erzählte mir davon, weil sie dachte, ich würde ihn vielleicht kennen. Sie wollte nicht, dass ich völlig überrascht war, wenn es in der Schule bekannt gegeben wurde. Ich erzählte Cass davon und sie ...« Erica stockte und zwischen ihre Augenbrauen grub sich eine tiefe Falte, während sie auf ihren Schoß starrte.
»Was, Erica?« Bens Stimme wurde sanfter, um sie zum Sprechen zu ermuntern.
Sie legte ihren Zeigefinger auf die Falte zwischen den Augenbrauen und rieb darauf herum. Ihre Anspannung löste sich und sie blickte auf. Sie weiß nicht, dass sie das tut, dachte Ben. Es ist eine Entscheidung, die Wahrheit zu sagen.
»Ihre Reaktion hat mich überrascht. Ich dachte, sie würde einfach gleichgültig darüber hinweggehen oder entsprechende Kommentare abgeben oder mir all die grausigen Fragen stellen, die ich mir immer von allen anhören muss wegen meiner Mom.«
Ben nickte.
»Aber sie wurde ganz ...« Erica unterbrach sich. Da war die Falte wieder. Der Blick nach unten. Das Reiben. Dann das erneute Heben des Kopfes. »Sie wirkte ängstlich. Ich kann mich nicht erinnern, Cass jemals ängstlich erlebt zu haben. Sie rannte zu den Toiletten und übergab sich.«
»Sie hat gereihert?«, fragte Scott.
Ben schloss die Augen und presste die Zähne aufeinander.
Aber Erica antwortete Scott. Sie wandte sich ihm zu. »In ein Waschbecken. Sie hat es nicht mehr bis zur Toilette geschafft. Ich konnte es nicht fassen. Es war so peinlich, aber vor allem war das so gar nicht Cass.«
»War in den Toiletten ein Mädchen namens Firefly, als das passierte?« Scott merkte, dass er Ericas Aufmerksamkeit hatte und so fuhr er einfach fort.
Erica nickte. »Ach so. Daher die Frage, ob Cass schwanger ist.« Sie seufzte und verdrehte die Augen. »Sie hat Cass gefragt, ob sie schwanger oder verkatert sei.«
In Gedanken strich Ben das Wort schwanger an der Wandtafel durch.
»Hat Cass irgendwie erklärt, warum sie gekotzt hat?«, wollte Scott wissen.
Erica nickte wieder. »Sie sagte, sie habe das Bild vor Augen gehabt und das habe ihr den Magen umgedreht. Und sie
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