Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
war ungefähr viermal so groß wie sein normales Handy, aber er würde sich damit abfinden müssen. Der Akku war fast ganz voll, was nicht weiter verwunderlich war – der Apparat hatte schließlich den größten Teil seines bisherigen Lebens ausgeschaltet in der Schublade verbracht. Er versuchte es bei Miller, doch der Anruf ging gleich auf die Mailbox. Logan hinterließ eine kurze Nachricht mit der Nummer, unter der er zu erreichen war. Wenn es irgendetwas Wichtiges wäre, würde der Reporter ihn noch früh genug zurückrufen. Bis dahin musste Logan noch einiges recherchieren.
Über eine Stunde später war er noch nicht sehr viel weiter. Laut den diversen Polizeidatenbanken war die Familie von Seans ehemals bestem Freund sauber. Nicht einmal ein lumpiger Strafzettel. Das einzige schwarze Schaf, das die Familie Whyte hervorgebracht hatte, war Craig, der tote Bruder. Er war mit sechzehn in eine Schlägerei geraten, bei der er einen Lastwagenfahrer mit einem Snookerqueue zum Krüppel geschlagen hatte. Der Mann hatte behauptet, er sei schwul. Craig hatte eine Weile auf Kosten Ihrer Majestät wohnen dürfen; als er wieder draußen war, hatte er seine Freundin verprügelt, eine Therapie gemacht und schließlich eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt. Daniel hatte keinen Grund, auf seinen jüngeren Bruder eifersüchtig zu sein – Craig war nicht einmal vierundzwanzig Jahre alt geworden.
Als das Airwave-Telefon klingelte, wäre Logan fast nicht drangegangen, so wenig vertraut war ihm das Geräusch. »Hallo?«
» Wo zum Teufel hast du gesteckt, Mann? Ich versuch schon seit ’ner Ewigkeit, dich zu erreichen! « Colin Miller klang aufgeregt, aber das war dieser Tage fast schon normal.
»Tag.« Logan wollte sich den allerletzten Schluck Kaffee genehmigen, doch die Plörre war eiskalt. Er spuckte sie in den Becher zurück. »Uahh, pfui Teufel …«
» Sie hat’s geschafft! «
Logan beäugte die marmorierte braune Flüssigkeit und goss sie in die nächstbeste Topfpflanze. »Wer hat was geschafft?«
» Es ist ein Junge! Dreitausendeinhundertfünfundsiebzig Gramm! Absoluter Prachtkerl, Mann! Fingerchen, Zehen, alles dran! «
»Oh …« Was sagte man noch mal zu einem frischgebackenen Vater? »Gratuliere! Wie geht’s Isobel?«
» Total fix und fertig. Sie sagt, wenn ich ihr noch ein Mal zu nahe komme, schneidet sie mir den Schwanz ab! « Er lachte. » Stell dir vor: sechs Tage zu früh! «
»Na ja, ich denke, es ist …«
»Du musst unbedingt kommen und ihn dir anschauen!«
»Tja, weißt du, Colin …« Logan betrachtete seinen Schreibtisch. Er bog sich nicht gerade unter der Last superdringender Vorgänge. Im Grunde war es nur der Papierkram für DI Steel – all das, was eigentlich ihr Job war, wozu sie aber irgendwie nie kam. Und je eher er sich bei DI Insch meldete, desto eher würde er von dem alten Brummbär einen Anschiss kassieren, weil er sich von Steel hatte entführen lassen. Als ob Logan bei dem Thema irgendetwas zu melden hätte. »Doch, doch, gute Idee. Also, bis gleich dann!«
Er parkte seinen zivilen Einsatzwagen so nahe wie möglich am Krankenhauseingang und sprintete durch den Regen hinein. Eine Schwester beschrieb ihm den Weg, und nach einem kurzen Abstecher zum Kiosk marschierte er den Korridor entlang, bewaffnet mit einem Luftballon in Katzenform, einer Schachtel Pralinen und einer Karte mit der Aufschrift Es ist ein Junge! Als ob die Eltern das nicht schon wüssten.
Der Reporter erwartete ihn am Eingang der Entbindungsstation. »Laz, alter Junge! Komm, ich zeig dir unseren Kleinen!«
Die nächsten zwanzig Minuten rauschten mehr oder weniger an ihm vorbei. Das Baby – ganz gleich, was der stolze Vater behaupten mochte –, sah aus wie ein kahlrasiertes Äffchen, aber Logan enthielt sich jedes Kommentars und tat so, als hätte er es nicht bemerkt. Isobel sah fürchterlich aus: bleich, erschöpft und verschwitzt, mit dunkellila Ringen unter den Augen. Sie war offensichtlich nicht in der Verfassung für einen längeren Besuch, also entschuldigte Logan sich nach einer Weile. Er versprach Colin aber, dass er nach neun Uhr, wenn die Väter rausgeschmissen wurden, mit ihm auf das Baby anstoßen würde. Zu diesem Behufe hatte der Reporter eigens einen 35 Jahre alten Malt Whisky besorgt.
Draußen hatte der Regen aufgehört. Die Strahlen der Spätnachmittagssonne brachen durch die tief hängenden Wolken und malten alles in Ocker- und Goldtönen, während die bläulichen Schatten länger und
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