Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
hier noch alle verhungern. Logan fragte sich, ob der Mann wenigstens gefahrlos Essen beim Lieferservice bestellen konnte, oder ob er dann mit einer Portion Auswurf oder Hundekacke als Gratis-Beilage rechnen müsste. Das Schicksal der Eltern eines berühmt-berüchtigten Sohnes.
Auf der Arbeitsplatte stand eine kleine Dose mit der Aufschrift TEE , aber sie war ebenso leer wie die Vorratsschränke. Überhaupt war das Einzige, was Logan neben Tellern, Haushaltsgeräten und Besteck in der Küche finden konnte, eine Schublade voller Briefumschläge – manche geöffnet, die meisten aber nicht. Er streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über und nahm einen heraus: IHR SOHN IST EIN SCHEUSAL! FÜR DAS LEBEN DIESES ALTEN MANNES MUSS BLUT FLIESSEN ! So ging es noch anderthalb Seiten weiter, aber der Tenor war, dass die Todesstrafe wieder eingeführt werden und bei Sean Morrison zur Anwendung kommen sollte. Auch wenn er erst acht war. Und Hängen sei noch zu gut für ihn.
Logan kramte sämtliche Briefe aus der Schublade und trug sie ins Wohnzimmer. »Tut mir leid«, sagte er, als er den Stapel auf dem Couchtisch ablud, »es gibt keine Kekse. Und keine Milch. Und Tee auch nicht.«
»Oh.« Steel wirkte enttäuscht, doch sie wurde wieder munter, als sie den Stapel Briefe sah.
»Die habe ich gefunden, als ich nach den Teebeuteln gesucht habe.«
Morrison schauderte. »Wir haben sie aufgehoben, wie Sie gesagt haben. Ich mache sie nicht mehr auf …«
Steel nickte und lieh sich Logans Handschuhe, um selbst in dem Stapel stöbern zu können. Sie zog ein paar Briefbögen aus den geöffneten Umschlägen und versuchte sie mit zusammengekniffenen Augen im Halbdunkel zu entziffern. » Aye , alles miese Dreckschweine, einer wie der andere.« Sie überflog noch ein, zwei weitere und fragte Logan dann, ob er zufällig einen Beweismittelbeutel dabeihabe. »Wir nehmen sie alle mit – mal sehen, ob die Kriminaltechnik was damit anfangen kann. Und ich schicke Ihnen auch jemanden vom Fingerabdrucklabor vorbei, der sich Ihren Steinbrocken vornimmt, okay?«
Morrison gab keine Antwort, sondern starrte nur weiter sein vernageltes Fenster an.
»Übrigens«, sagte Logan, als sie aufstanden, um zu gehen, »wegen Seans Freund Ewan: Hat sein Vater sich eigentlich mal bei Ihnen gemeldet?«
Der Mann sah ihn verwirrt an, als versuchte er sich zu erinnern, weshalb sie eigentlich hier waren. Logan hatte den Eindruck, dass er seit einer Woche kein Auge mehr zugetan hatte. »Nein. Nicht mehr, seit Sean nicht mehr dort hingeht. Seit wir aus Guildford zurück sind.«
»Er hat Ihnen also nicht von dem Vandalismus an seinem Haus erzählt?«
»Entschuldigen Sie mich bitte, aber Gwen braucht jetzt ihre Medikamente.« Er hievte sich aus dem Sessel hoch. »Es geht ihr in letzter Zeit nicht besonders.«
Sie zogen die Haustür hinter sich zu und eilten durch den Regen zum Wagen. »Könnten Sie sich vielleicht zur Abwechslung mal auf eine Sache konzentrieren?«, fragte Steel, während Logan die Lüftung voll aufdrehte. »Vandalismus – ich glaub, mein Schwein pfeift.«
»Haben Sie sich nie gefragt, ob Sean …«
»Herrgott noch mal, jetzt fangen Sie doch nicht schon wieder damit an! Diese verdammten Sozialarbeiter gehen mir so schon genug auf den Geist. Er ist ein kleiner Drecksack, mehr gibt’s da nicht zu sagen.«
Logan fuhr los und lenkte den Wagen den Berg hinunter, zurück zum Präsidium. »Ich glaube das einfach nicht: Niemand verwandelt sich ohne triftigen Grund von einem ausgeglichenen kleinen Jungen in einen Minigangster, der raubt und plündert und willkürlich alte Männer und Polizistinnen absticht. Da ist irgendwas passiert.«
Steel seufzte. »Jetzt hören Sie mir mal bitte ganz genau zu: Es – interessiert – mich – nicht! Okay?«
»Aber ich bitte Sie, es muss Ihnen doch auch ein bisschen …«
»Es – interessiert – mich – nicht! Verdammte Hacke. In der guten alten Zeit, da hat man die bösen Buben geschnappt, hat sie ins Loch geschmissen und sich erst mal sieben, acht Jahre lang nicht mehr um sie gekümmert. Und heute dreht sich alles nur noch um ›gemeinnützige Arbeit‹ und ›Analyse des Täterverhaltens‹ und all so ’n Scheiß. Was diese Fuzzis vom Sozialdezernat brauchen, ist ein Tritt in den Arsch mit ’nem ganz besonders spitzen Stiefel!«
»Warum hat er seine Zerstörungswut am Haus seines besten Freundes ausgelassen?«
»Sagen Sie, sprechen wir eigentlich dieselbe Sprache? Hal- lo ? Das geht mir am Arsch
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