Der erste Versuch
ist noch etwas anderes da unten?“
Erwin verhielt eine Sekunde den Schritt, musterte seine
Begleiterin scharf mit verkniffenen Augen. „Wie kommst du
auf eine solche Frage?“
Alina ärgerte sich. Sie glaubte aus dem Gesichtsausdruck des
alten Mannes Ablehnung zu lesen. War sie zu direkt, oder gab
es gar etwas, worüber er nicht sprechen wollte?
„Es ist jetzt nichts anderes mehr da unten.“ Erwin
beschleunigte den Schritt.
„Jetzt nicht mehr…“, sann Alina laut seinen Worten nach.
„War aber!“, fügte sie hoffnungsvoll hinzu und sah den Mann
Antwort heischend von der Seite her an.
„Klar“, entgegnete der verschmitzt lächelnd. „Kalisalz wurde
da unten abgebaut. Viel.“
Obwohl sich Alina nicht zum Scherzen aufgelegt fühlte,
musste sie lachen. „Schau an“, entgegnete sie. „Das hätte ich
nicht gedacht. Aber im Ernst: Hat sich nicht jemand – so vor
vier, fünf Jahren noch – für die Grube interessiert? Pass auf –
ich will nicht drum rum reden – ich habe einen Bekannten, der
hat um diese Zeit hier gearbeitet.“
„So, hat er das, dein Bekannter. Zu der Zeit war der Schacht
eins noch intakt. Seit der nicht mehr befahrbar ist, ist da nichts
mehr.“ Der Alte sprach zögernd und beschleunigte den Gang
in eine Geschwindigkeit, die Alina jemandem in seinem Alter
nicht mehr zugetraut hätte.
„Und warum ist er nicht mehr befahrbar, der Schacht eins?“
„Na, kannst du dir das nicht denken? Schau dich um.
Eingestürzt ist er.“
Alina hielt den Alten am Arm fest, zwang ihn so, stehen zu
bleiben. Sie blickte dem Erstaunten ins Gesicht und fragte:
„Und was war dort, bevor er – eingestürzt ist?“
Der Mann schüttelte ihre Hand ab, schritt, diesmal langsamer,
weiter. „Lass mich in Frieden“, murmelte er, setzte dann
jedoch versöhnlicher hinzu: „Irgendwelche Spinner wollten so
was wie eine Fabrik einrichten. Frag doch deinen Bekannten,
wenn er dabei war. Ich hab immer nur die Maschine bedient,
heute nur noch gelegentlich, weil sich die Aufsicht keine
Stammmannschaft leisten will. Also, hat dein Bekannter sein
Taschenmesser unten liegen lassen – oder was?“
Alina frohlockte innerlich. Sie befand sich auf der richtigen
Spur, kein Zweifel! Der Alte wusste mehr, und – bei dem
Gedanken wurde ihr siedend heiß – der Schacht war nicht
mehr befahrbar. Dabei befand er sich keine hundert Meter von
dem entfernt, aus dem gerade noch drei Leute gekommen
waren.
„Und warum steht der andere Schacht noch?“ Sie setzte ihren
Gedanken in die Frage um.
„Na, weil man über ihn zum Lager kommt. Der wurde besser
in Stand gehalten. Das ist doch logisch, oder? So, hier muss ich
lang.“
Von der Straße zweigte nach links ein Weg ab, der in die nun
nahe Siedlung führte.
Alina änderte die Taktik: „Kannst du mir ein Quartier
empfehlen in Bacherode?“
„Du willst hier bleiben?“, fragte er erstaunt.
„Eine schöne Gegend, ein wenig ausspannen kann nichts
schaden.“
„Ha“, rief der Alte. „Mut hast du. Seit Monaten gehören wir
zum Gebiet, das die Bison-Bande kontrolliert. Und reisende
Nichtstuer, so wie du… Ich weiß nicht, es ist nicht
ungefährlich. Und ein Hotel gibt es schon lange nicht mehr,
seit diese großen Rollhouses unterwegs sind. Die sind auch
viel sicherer. Aber wem sage ich das, oder kommst du vom
Mond?“
„So ungefähr – und was kann ich da machen, wenn ich
trotzdem bleiben will?“
„Zahlungsfähig bist du?“
„Es geht.“
Der Alte setzte eine wichtigtuerische Miene auf. „Wenn
deine Ansprüche nicht zu hoch sind… Du kannst bei uns
übernachten.“
Das war mehr, als Alina erhofft hatte. Des Alten Hinweise
auf Unsicherheiten in der Gegend beeindruckten sie nicht
besonders. Vielleicht hatten sie auch das friedfertige
Zusammenleben auf dem Mars und die Zeit dort
desensibilisiert. Wenn den täglichen Nachrichten zu trauen
war, passierten Überfälle am laufenden Band mit rasant
zunehmender Tendenz. Dennoch, der feste Vorsatz blieb.
Alina wollte die paar ihr verbleibenden freien Tage nutzen,
nun, da sie sich an einem Ort des Geschehens wähnte, so viel
wie möglich über das Geschehen um das Bergwerk zu
erfahren. Und wenn nicht von diesem Erwin, dann von
anderen. Und das hieß, in Bacherode zu verweilen.
„Ich habe keine Ansprüche“, versicherte sie. „Also – gehen
wir.“ Und sie bog in den Weg ein, den Erwin gewiesen hatte.
Erwin Gens entpuppte sich als durchaus geschäftstüchtig.
Alina zahlte für die kleine Einliegerwohnung im
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