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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ältlichen
Einfamilienhaus fast das Anderthalbfache vom Zimmerpreis in
Berlin. Natürlich tat sie es ohne zu murren und so, als ob sie in
Geld schwämme. Und abends, bei einem üppigen, von ihr
besorgten Mahl und drei Flaschen Rotwein, an deren Leerung
sich Erwins Frau kaum beteiligte, darüber aber alsbald
einnickte, kam Alina auf ihre Kosten: Erwin wurde redselig, ja
gleichsam angeberisch mitteilungsbedürftig, und Alina hoffte,
dass sie am Ende der abendlichen Unterhaltung genauso viel
wusste wie er. „Um so ein mächtiges Grubengebäude ist es
doch jammerschade, dass es, wenn der Abbau nichts mehr
bringt, einfach abgeworfen wird“, hatte sie ihr Fragespiel
begonnen.
    „Nein, nein“, widersprach Erwin. „So ist ‘s hier nicht
gelaufen. Was mein Großvater war, der hat erzählt, als er zur
Schule ging, haben sich die Leute gegen das Fluten der Grube
gewehrt, weißt du, mit Lauge wird das gemacht, weil Wasser
das Salz lösen täte. Dann, hat er erzählt, wurde bereits das
Lager für das Dreckszeug eingerichtet – am Schacht zwei.
Später, das weiß ich wieder von meinem Vater, wurde sogar
eine Halle aufgefahren, in der sie solche Konzerte und andere
Veranstaltungen gemacht haben. Das war am Schacht eins. Ein
paar Jahre lang wurden sogar Kranke, die ‘s mit der Luft
hatten, für einige Zeit dort unten behandelt…“
    Es gelang Alina nur unzureichend, ihre Ungeduld zu
bezähmen. Sie hütete sich jedoch, Erwins Redefluss zu
unterbrechen. Mit jedem Schluck Rotwein schien der alte
Mann gesprächiger zu werden.
    „Als ich in die Schule ging“, fuhr Erwin fort, „kamen dann
die großen Herren, die erst dieses Laboratorium einrichteten,
später sogar eine Fabrik, so ein Quatsch, aufmachen wollten…
Tja…“ Der alte Mann drehte sein Glas. „Da war ich noch nicht
dabei.“ Sein Mitteilungsbedürfnis schien befriedigt zu sein. Er
trank und lehnte sich zurück. „In der Molkerei habe ich dann
gelernt und bis zur mageren Rente geschuftet. Siehst ja, was
aus unsereinem geworden ist. Im Monat zwei, drei Mal die
Maschine, was bringt das schon zusätzlich.“
    Alina wurde nervös. Das konnte es nicht gewesen sein. „Was
haben die gemacht, die später die Fabrik einrichten wollten?
Weißt du das?“
    Erwin Gens schüttelte den Kopf. „Was man eben so hört. Sie
haben mit denen aus dem Sanatorium zusammengearbeitet.
Kein Hiesiger war dabei. Sogar Bergleute haben sie von
woanders hergeholt, wenn unten ein neuer Raum… Aber wozu
willst du den alten Kram wissen. Ich denke, wir gehen ins Bett.
Meine Alte hat‘s eh schon erwischt.“ Er deutete mit dem Kopf
auf seine Frau, die fest eingeschlafen in der Ecke des Sofas
kauerte.
    Alina gab nicht auf. „Warum haben die ihre Arbeiten
eingestellt?“
„Ach, was weiß ich!“ Erwin wurde leicht unwillig. „Es ist
eine Sauarbeit und teuer dazu, einen so alten Bau fit zu halten.
Vielleicht ist ihnen das Geld ausgegangen.“
„Und du in deinem Nebenjob hast nur am Schacht zwei
gearbeitet?“, bohrte Alina.
„Ach, i wo!“ Erwin biss sich auf die Lippen, trank sein Glas
leer und schickte sich an, aufzustehen. „Es gibt in der
Umgebung noch zwei Wetterschächte… paar Kilometer… je
nachdem, wie jemand einfahren wollte oder Material in den
Berg gebracht wurde – eben wo man einen Maschinisten
brauchte.“ Seine Rede klang unwillig, als ob ihm die Fragerei
mit einem Mal lästig würde.
„Und am Schacht eins?“
„Auch.“
„Wann ist der eingestürzt?“
Erwin schwieg, er blickte unruhig auf der Tischplatte hin und
her und versuchte ein zweites Mal sich abstützend aufzustehen.
„Mein Bekannter hat vor etwa fünf, sechs Jahren hier
gearbeitet, da war noch tüchtiger Betrieb“, behauptete Alina.
„Am Schacht eins?“, fragte Erwin kleinlaut. Er zog mit dem
Zeigefinger zwei kleine Rotweinpfützen auf der
Kunststoffdecke zusammen.
„Am Schacht eins, ja!“, log Alina. Natürlich wusste sie nicht,
wo Connan O’Bennet seinerzeit tatsächlich gearbeitet hatte.
Und ein leiser Zweifel bestand noch immer, ob – bei der
Dichte der damaligen Bergwerke – sie überhaupt am richtigen
Objekt recherchierte.
„Also – du gibst ja doch keine Ruhe – sie haben etwas Neues
angefangen zu dieser Zeit, irgendeine automatische Station.
Mehr weiß ich nicht. Wenn du den ganzen Tag an der
Maschine sitzt, hörst und siehst du nichts außer den Signalen
vom Anschläger an der Hängebank…“
Alina zog das Gesicht in fragende Falten.
„Das ist, wo du Rudolf

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