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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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schon los. Hast ja gehört,
ich hab Feierabend.“ Aber es klang nicht unfreundlich, wie er
es sagte. Offenbar war die Augenscheinnahme im Hellen
positiv ausgefallen.
Auf einmal wusste Alina nicht, wie sie anfangen, was sie
fragen sollte. Und dann platzte sie heraus: „Schlafen da unten
Leute?“
„Was ist?“ Er sah sie mit gerunzelter Stirn an, und es war
seinem Gesicht deutlich abzulesen, was er dachte. Und dann
erfragte er es auch: „Alle beisammen hast du!?“
Alina biss sich auf die Lippen. „Aber eben kamen doch Leute
von unten“, sagte sie naiv. „Da muss doch etwas sein.“
„Etwas ist da auch“, sagte er und lächelte. „Es schläft auch
was und wird hoffentlich nicht munter. Aber keine Leute. Da
hat dir einer einen Bären aufgebunden, wenn du das glaubst.“
„Ich habe einen Bekannten, der hat vor ein paar Jahren hier
gearbeitet…“, erläuterte Alina nachdenklich. „War es wirklich
hier?“, dachte sie zweifelnd. „Aber der Name!“
„Gibt es noch ein anderes Bacherode mit einem Bergwerk?“,
fragte sie.
„Nein. Weit und breit ist alles weg, geschleift. Wir hier sind
noch die Einzigen, weil wir dieses Lager haben.“
„Was für ein Lager?“
„Hast du die Warntafeln nicht gesehen? Strahlmüll. Und
soeben waren die Kontrolleure da. Ab und an wird auch noch
neuer Dreck gebracht. Aber keine Angst, es ist harmloses
Zeug, Gelumpe aus der Medizin meist. Ich mache hier den
Anschläger – als Aushilfe.“
Als Alina verständnislos blickte, erklärte er: „Der, der die
Seilfahrt steuert, dem Fördermaschinisten, was der Erwin ist,
die Signale gibt.“
Alina folgte einer Eingebung: „Schon lange?“, fragte sie.
„Hundert Jahre bin ich Anschläger“, übertrieb er. „Hier helfe
ich erst seit zwei Jahren aus. War im Erz, bis zuletzt bei der
Verwahrung“, fügte er hinzu. „Zum Sohn bin ich gezogen.“
Alina atmete auf. Es gab noch Hoffnung. „Wer könnte
wissen, was vor dem war?“
„Na, Erwin vielleicht, der ist schon ewig hier, er macht die
Seilfahrt für das Lager.“
„Kann ich den sprechen?“
„Da drüben.“ Er deutete mit einer Kopfdrehung auf einen
flachen Anbau, in den die armstarken Förderseile von den
Umlenkscheiben am Turm schräg durch eine kleine
Maueröffnung hineinführten. „Also, mach‘s gut. Ich hab
Feierabend“, wiederholte er und ging davon.
Der mit Erwin Benamste stand an seiner abgeschalteten
imposanten Maschine. Ein riesiges Speichenrad, das, halb in
den Boden eingelassen, vom Seil umschlungen, den
Förderkorb trieb. Poliertes Messing und Stahl blitzten,
konkurrierten mit dem strahlenden Rot der massiven
Radspeichen. Große, meist runde Messskalen hinter Glas
ergänzten das Bild. Das alles vermittelte Hochachtung
gebietende solide museale Ingenieurkunst.
Erwin putzte mit einem Lappen an den Kugeln des
Fliehkraftregulators herum, unterbrach diese Tätigkeit jedoch,
als Alina eintrat und blickte ihr erwartungsvoll entgegen.
Er hatte die Siebzig wohl ebenfalls überschritten, hatte eine
Vollglatze, hielt also von einer Genbehandlung nichts oder
konnte sie sich nicht leisten. Flinke Augen standen über dem
runden, rosigen Gesicht, und seine Zähne waren so weiß und
regelmäßig, dass Alina deren Echtheit bezweifelte.
„Hallo, ich bin Alina Merkers – Glück auf! – eine prächtige
Maschine.“
Erwin blickte ein wenig irritiert und begann erneut zu putzen.
„Hast du dich verlaufen?“, fragte er. „Glück auf! Unbefugten
ist…“
„Ich weiß. Dein Kollege Anschläger… Du kennst, sagt er,
den Betrieb hier länger? Darf ich dich etwas fragen?“
„Hm“, brummte Erwin. „Ich wollte eigentlich nach Hause.“
„Darf ich dich begleiten?“
„Meinetwegen – wenn du nichts Besseres vorhast, als mit
einem alten Zausel…“
Sie schritten zunächst schweigend am Rande einer
Asphaltstraße dem Ort zu.
„Dort wohne ich.“ Erwin zeigte auf eine entfernte Siedlung
linker Hand am Rande der Stadt. Mit dem Heimkommen hatte
er es offensichtlich nicht so eilig, wenn der Schlenderschritt,
den er vorlegte, Maßstab war.
„Eine Halde?“, fragte Alina, als sie an dem steilen,
unnatürlichen rötlich-kahlen Berg neben dem Werk
vorüberkamen, an dessen Südflanke flächendeckend
Solarpaneele glänzten.
„Eine Halde. Aber das war ‘s sicher nicht, was du fragen
wolltest. Fang schon an, wir sind bald da. Was also willst du
wissen?“
„Dein Kumpel erzählte mir vom Strahlmülllager. Hält man
deswegen das Bergwerk fast dreihundert Jahre in Stand – oder

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