Der erste Versuch
planmäßig“, sagte er mit leiser Verwunderung.
„Ja – doch!“
„Leider konnten wir nicht mit Baikonur sprechen.
Eigenartigerweise gibt es einen Defekt in der Primat… – bei
ihnen oder uns. Weißt du etwas darüber?“
„Ja, der Defekt liegt auf der Erde.“
„Na, Gott sei Dank. Ich dachte schon, meine Leute versagen.
Aber – geht es dir nicht gut?“ Er hatte den Eindruck, als stehe
ein wenig zu viel Wasser in den Augen der Operaterin
Roberta.
„Ich bin nicht so gut drauf heute.“
„Warum machst du dann Dienst?“
„Du weißt, keine Leute…“ Ihr Versuch eines Lächelns
missglückte. „Also – bis bald! Guten Flug weiterhin.“ Der
Bildschirm erlosch.
Nachdenklich saß Haile Nalasse und starrte auf das dunkle
Viereck. Vom Aufenthalt im Hafen kannte er Roberta, kannte
sie als lebenslustige, lebhafte Person, kess, nicht auf den Mund
gefallen und insbesondere ausgeglichen fröhlich. „Na gut, es
widerfährt wohl jedem einmal etwas, das ihm die Laune
verdirbt“, tröste er sich gedanklich. Er ordnete an, über die
Quartiermonitore die Störung in Baikonur bekannt zu geben,
nickte den Diensthabenden zu und verließ die Zentrale.
Die HERMES dockte pünktlich an. Lärmend und aufgekratzt,
der geringen Schwerkraft wegen oft in grotesken Sprüngen,
verließen die Passagiere das Schiff, füllten erwartungsfroh die
Aufenthaltsräume des Orbitalhafens, in der Hoffnung, recht
bald zur Fähre via Erde gerufen zu werden.
Sofort nach dem Anlegen wurde der Kapitän der HERMES
zur Hafenleitung gerufen.
Die Leute, die er auf dem Weg dorthin traf, grüßten scheu,
meist mit gesenktem Blick.
Völlig verunsichert trat Haile Nalasse in das Arbeitszimmer
des Hafenchefs, den er kannte und schätzte.
Hinter dem Kommunater erhob sich Doren McSallin, eine
ältere Frau, die langjährig Da assistierte und von der dieser
behauptete, eigentlich sei sie sein Gehirn. Auch sie kannte
Haile Nalasse.
Sie kam auf ihn ohne ein Wort zu, lehnte den Kopf an seine
Schulter, legte die Arme um ihn und begann zu weinen.
Der Kapitän der HERMES war im höchsten Maße erschüttert
und zugleich äußerst irritiert. Er strich der Doren über den
Kopf und schob sie nach einer Weile sanft von sich, blickte ihr
in die tränennassen Augen und fragte drängend. „Was Doren,
um Himmels willen, ist passiert?“
Die Frau weinte heftiger, und fast unverständlich stammelte
sie: „Sie sind tot, alle tot!“
„Wer ist tot, sag!“ Er schüttelte sie an den Schultern.
Doren McSallin machte sich sacht von ihm frei, wischte die
Tränen ab und sammelte sich mit sichtbarer Mühe. Dann sagte
sie mit noch brüchiger Stimme, aber gefasst: „Alle, alle
Menschen…“ Und nach einer Pause, in der sie hinter den
Tisch trat. „Ihr seid mit uns hier im Hafen die einzigen
Überlebenden – soweit wir bislang wissen.“
Haile Nalasse stand sekundenlang wie versteinert. „Das ist
nicht wahr“, sagte er dann leise. „Sag, dass es nicht wahr ist.
Wo ist Shilian Da?“, rief er, als läge beim Chef des Hafens die
Lösung.
„Er hat sich das Leben genommen.“
Haile trat an den Kommunater, fasste die Frau abermals an
die Schultern. „Komm zu dir, Doren“, rief er. „Was ist hier los,
verdammt nochmal!“
Sie streifte seine Hände ab. „Ich habe hier die Leitung
übernommen.“ Sie bemühte sich, sachlich zu sprechen. „Die
Menschheit ist ausgelöscht. Wir nehmen an – außer ein paar
kleinen Gruppen, so wie wir –, restlos. Wie es dazu kam,
wissen wir nicht. Ich habe dich gerufen, damit du deine Leute
und Passagiere informierst und ihnen gleichzeitig mitteilst,
dass es auf keinen Fall ratsam ist, die Erde zu betreten. Es ist
grauenhaft, und es besteht akute Seuchengefahr. Wir werden
natürlich niemanden gewaltsam zurückhalten, es gibt dort,
soviel wir bislang wissen, keine Zerstörungen, Flora und Fauna
sind intakt – nur die Menschen…“
Haile Nalasse saß bewegungslos im Sessel vor dem
Kommunater, hielt das Gesicht mit den Händen bedeckt und
rührte sich auch nicht, als sie aufhörte zu sprechen.
„Du musst jetzt gehen, deine Leute werden sonst unruhig.
Sag ihnen, dass in drei Stunden unsere Untersuchungsgruppe
zurückkommt und wir über das Ergebnis informieren. Bitte die
Leute um Disziplin. Wer sich dennoch entschließt,
hinüberzufahren – vor übermorgen nicht.“
Der Kapitän der HERMES saß noch Sekunden, dann stand er
schwerfällig auf, warf einen Blick auf Doren, nickte kaum
merklich und wandte sich zum Gehen. In der
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