Der erste Versuch
Etwa 300 bis
350 Menschen mochten sich eingefunden haben; er machte
einen langen Hals, um Cathleen Creff zu entdecken, die – nach
ihrer Ankündigung
– zu den Offiziellen zählen wollte.
Schließlich entdeckte er sie in der Nähe der Narad, also musste
die Firma mit einem horrenden Betrag eingestiegen sein. „Ein
bisschen wohl auch mein Verdienst“, lobte sich Milan in
Gedanken. So schnell aber wie ihm der Begriff „Dividende“
einfiel, so schnell verwarf er ihn wieder. Weitere Leute müssen
in der Agentur ausgebildet, versorgt, für sie Arbeitsplätze
geschaffen werden. Das kostet! „Ohne die Agentur wäre ich
nichts“, dachte er. „Wärst du nicht“, echote seine innere
Stimme. „Für dieses HAARP und für das nächste bist du in
vitro gezeugt und gezüchtet, Milan, von klugen, weit
vorausschauenden Leuten. Ihre heißen Kastanien holst du aus
dem Feuer…“ Milan schüttelte die Gedanken ab. „So ein
Unsinn, die Tätigkeit macht Spaß, und wenn sie erfolgreich ist
wie hier, erst recht! Und was sonst könntest du tun…? Hohe
Masten errichten, Fundamente nach richtigen Maßen zum
Beispiel. Man müsste in einem günstigen Augenblick mit der
Creff sprechen.“ Langsam begann er sich durch die
Menschenmenge einen Weg zu bahnen auf Cathleen zu, die
mit scheinbarer Andacht auf die Reden nachfolgender
Begrüßer und Danksager hörte. Nur einer von ihnen bedauerte
mit einigen Sätzen, dass man leider nicht der Erste sei, der
HAARP anwendet. INDIA HAARP sende bereits und
ALASKA HAARP STATION befinde sich im Probebetrieb.
Dafür aber sei man auf Unije das HAARP-Projekt mit der
weitaus größten Leistung.
An der Stelle spendeten ihm die Ehrengäste Beifall.
Dann kam der hehre Augenblick.
Man hatte
– wie seinerzeit bei der folgenschweren
Einweihung des Generators – auf einem Pult einen großen
roten Knopf montiert, den laut Protokoll der Vorsitzende des
Konsortiums und die Narad gemeinsam einzudrücken hatte,
worauf mit fast zehn Millionen Watt Leistung
elektromagnetische Wellen in die Ionosphäre feuern, dortige
Teilchen auf ein höheres Energieniveau heben und so anregen
würden, ihrerseits Wellen, niederfrequente Wellen,
zurückzuschießen. Entsprechende Empfangsgeräte waren
natürlich aufgebaut, allerdings würde man auf die Reaktion
zehn bis zwölf Stunden warten müssen.
Die beiden Auserwählten legten die Hände aufeinander,
berührten den Knopf, blickten mit zukunftssicherem Blick und
einem stolzen Lächeln über die Menschen hinweg und stießen
den Auslöser nach unten.
Beifall, angeregt durch die Ehrengäste, und Hochrufe brachen
aus, eine Live-Kapelle begann den Triumphmarsch aus Verdis
„Aida“ zu intonieren.
Milan dachte an die Toten beim Generatorunfall, und
Feierlichkeit wollte sich nicht so recht einstellen. Er nutzte die
Bewegung, die nun, am Ende des Festakts, die Menge ergriff,
um näher an die Creff heranzukommen.
Als er, wie er glaubte, unbemerkt hinter ihr stand, murmelte
sie zwischen den Zähnen und mit halb gewandtem Kopf:
„Heute Abend gegen neun Uhr nach dem Bankett – rechts
neben der Mole“, und sie schloss sich einigen Leuten an, die
man zur Besichtigung der Zentrale eingeladen hatte.
Während im Wohngebiet eine Art Volksfest mit großzügigen
Angeboten arrangiert worden war, traf sich die Hautevolee in
einer eigens errichteten Containerhalle zum Bankett. Davor
überwachten Ingenieure die Messstellen, und sobald das erste
Feedback erkennbar werden würde, sollte es mit einem
Böllerschuss und einer Rakete
– den Beginn eines
Prachtfeuerwerks – angekündigt werden.
Milan Nowatschek zählte im Gegensatz zu Cathleen Creff
nicht zu den für das festliche Bankett auserlesenen Gästen. Er
fand sich pünktlich am Strand ein und setzte sich an der
vermuteten Stelle auf eine Bank. Es herrschte dichte
Dunkelheit, dennoch würde er von seinem Platz aus im
Streulicht der Leuchten sehen, wenn sich jemand der Mole
näherte. Zunächst bewegte sich keine Maus. Natürlich befand
sich alles, was Beine hatte, bei den Festlichkeiten – sogar die
natürlich strenge Bewachung beschränkte sich auf die Gebäude
und Aggregate.
Ohne nennenswerte Verspätung glitt die Creff den Weg
hinab. Ab und an leuchtete ihr Haarkranz wie ein blauer
Heiligenschein auf, wenn sie eine der Laternen passierte.
Sie steuerte direkt auf die Bank, auf Milan, zu und stürzte
sich buchstäblich, ohne ein Wort gesprochen zu haben, auf den
Überraschten, umklammerte und küsste ihn heftig,
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