Der erste Weltkrieg
eingerichtet und Offiziere von den Mannschaften gewählt werden. Die Verwirrung, die dieser Befehl in der Armee anrichtete, wurde durch eine Rede Miljukows fünf Tage später gesteigert, als der Außenminister ankündigte, Russland werde bis zum siegreichen Ende den Krieg auf Seiten der Alliierten weiterführen.
Der Widerspruch der Sowjets gegen diese Zusicherung ließnicht lange auf sich warten. Am 14. März forderten sie in einer an die Völker der ganzen Welt gerichteten Botschaft den sofortigen Friedensschluss. Vierzehn Tage später sah Miljukow, dessen Rede am 5. März auch die Aufrechterhaltung der territorialen Kriegsziele Russlands, vor allem im Hinblick auf die Dardanellen, impliziert hatte, sich gezwungen, einen Frieden ohne Annexionen und Reparationen zu verkünden. Aber der Zwickmühle zwischen den Forderungen der Sowjets und denen der Alliierten war er damit immer noch nicht entronnen. So griff er zu einem Trick, der dann prompt zum Bumerang wurde: In einem geheimen Schreiben beruhigte er die Alliierten, dass seine Regierung weiterhin zu dem Bündnis stehe. Als diese Nachricht kurz darauf an die Öffentlichkeit gelangte, wurde sie als eine Desavouierung des Willens der Sowjets und der Bevölkerung empfunden. Das Schreiben wurde zurückgezogen. Miljukow trat zurück. Die Provisorische Regierung wurde umgebildet, wobei Kerensky das wichtige Kriegsministerium übernahm. Die Affäre bewies, wie stark die Sowjets an Boden gewonnen hatten.
Die Spannungen zwischen der Provisorischen Regierung und den Sowjets in der Armee- und Friedensfrage waren den Deutschen nicht verborgen geblieben. Mit dem Ziel, die innenpolitischen Konflikte zu schüren und den Zusammenbruch der Autorität und damit der russischen Armee herbeizuführen, ermöglichte die OHL einem Mann das freie Geleit aus seinem Schweizer Exil nach Russland, von dem bekannt war, dass er das Land weiter revolutionieren und den Krieg mit dem Zweibund beenden wollte: Lenin. Die Bolschewisten hatten nun einen mitreißenden Führer, der hinfort lautstark «Brot, Land und Frieden» forderte – Schlagworte, die darauf ausgerichtet waren, die hungernden Städter, die unter dem patriarchalischen Agrarsystem leidenden Bauern und die kaum noch kampfeswilligen Truppen auf die Seite der neuen Partei zu ziehen, zumal die von Kerensky Mitte Mai gestartete Kampagne, die Armee für eine erneute Offensive vorzubereiten, deren Verfall lediglich beschleunigte.
Anfang Juli war die Provisorische Regierung zuerst damit beschäftigt, einen bolschewistischen Putschversuch abzuwehren.Acht Tage später wurde Kerensky Premierminister und ernannte am 18. Juli den General Lawr Kornilow zum Armeeoberbefehlshaber. Es war keine gute Wahl, denn Ende August setzte Kornilow, unterstützt von konterrevolutionären Kräften, zu einem gewaltsamen Coup gegen die Regierung an, der ebenfalls scheiterte. Allerdings zeigte sich bei dieser Gelegenheit, wie schwach das Kerensky-Regime inzwischen war. Nur der Aufruf der Sowjets zum Widerstand, die inzwischen weiter nach links gerutscht waren und mehr und mehr von den Bolschewisten beherrscht wurden, rettete Kerensky. Bezeichnenderweise war es Lenins Kampfgenosse Leo Trotzki, der die Matrosen von Kronstadt aus dem Gefängnis, in das Kerensky ihn nach dem bolschewistischen Putsch geworfen hatte, anwies, gegen Kornilow auszurücken. Ebenso half die Eisenbahnergewerkschaft, den Transport der Kornilow-treuen Truppen vor Petrograd zu stoppen, indem sie die Züge umleitete und die Schienen demolierte. Der Staatsstreich brach zusammen. Kornilow landete im Gefängnis.
Angesichts dieses klaren Ungleichgewichts zwischen der Provisorischen Regierung und den Sowjets, in denen jetzt die Bolschewisten den Ton angaben, entwickelte Lenin einen neuen Plan für eine gewaltsame Machtübernahme. Unter Trotzkis Führung wurde ein Militärischer Revolutionsrat gegründet, der als Kommandozentrale für den am 25. Oktober beginnenden Coup fungierte. Der Winterpalast in Petrograd, in dem Kerensky sich mit seiner Regierung verbarrikadiert hatte, wurde in der Nacht gestürmt. Kerensky konnte in einem als Rote-Kreuz-Wagen getarnten Auto in letzter Minute entkommen. Die Macht lag in den Händen von Lenin und Trotzki.
Diesen musste es jetzt darauf ankommen, ihre Stellung so schnell wie möglich zu festigen, indem sie die Forderungen von «Brot, Land und Frieden», die in der Bevölkerung auf immer größere Zustimmung gestoßen waren, in die Tat umsetzten. Schon am
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