Der erste Weltkrieg
Hausfrauen, und im Mai 1917 kam es zu Streiks.
War die Not der Bevölkerungen Zentraleuropas schon groß, die Italiener, die ebenfalls zunehmend auf die Straße gingen, lebten nicht besser. Noch schlimmer erging es den Russen. Hier war es allerdings nicht der objektive Mangel an Lebensmitteln. Diese waren im Prinzip in dem riesigen und hauptsächlich agrarischen Zarenreich in ausreichenden Mengen vorhanden. Umso größer waren die Inkompetenz und die Unfähigkeit der Monarchie, die vorhandenen Ressourcen zu organisieren und zu verteilen. Bis zum Dezember 1915 stiegen die Preise um 78 %. In Russland kam daher die Interaktion zwischen der Politik der staatlichen Organe und den Erfahrungen der Bevölkerung an Front und Heimatfront besonders früh und greifbar ins Spiel. Das Ergebnis war der Zusammenbruch des Zarismus unter dem Druck der Proteste der Bauern-Soldaten an der Front und der Industriearbeiter in den großen Städten. Der Ausbruch der russischen Revolution nahm voraus, wohin die Dialektik von Regierenden und Regierten schließlich auch in den zentraleuropäischen Monarchien führen würde: in die militärische Niederlage und den Umsturz der herkömmlichen politischen Ordnung.
V. Besiegte und «Sieger»
1. Revolution in Russland
Russland war die erste der am Weltkrieg beteiligten Nationen, die zusammenbrach. Schon im Februar 1917 kam es zu einer sozialen Revolution, die schließlich im Oktober die linksradikalen Bolschewisten an die Macht brachte. Deren Führer, Wladimir Iljitch Lenin, nahm die östliche Großmacht dann einige Wochen später aus dem Krieg und stimmte im März 1918 einem per Ultimatum von den Deutschen erzwungenen Friedensvertrag zu.
Fragt man nach den Ursachen dieser die Weltgeschichte verändernden Entwicklung, muss man mit dem Zustand beginnen, in dem sich die russische Armee einerseits und die Zivilbevölkerung andererseits im Winter 1916/17 befanden. Wie bereits erwähnt, besaß Russland im Prinzip die industriellen Rohstoffe und die Agrarbasis, die für eine Bewältigung des sich totalisierenden Krieges erforderlich waren. Die russischen Experten vertrauten auf die offiziellen Berechnungen, wonach die Ernährung sowohl der Truppen als auch der Zivilbevölkerung hinreichend gesichert sei. Eine Hungersnot, wie sie in Deutschland ab 1915 ausbrach, hätte es daher im Zarenreich nicht zu geben brauchen. Was indessen schließlich zur großen Krise führte, war die Unfähigkeit der Armee, angeführt durch Zar Nikolaus II., einen großen Krieg sowohl an der Front als auch an der Heimatfront zu organisieren.
Das zeigte sich zum ersten Mal im Herbst 1914 an der Front, als die Russen trotz haushoher zahlenmäßiger Übermacht die Schlachten bei Tannenberg und den Masurischen Seen unter Riesenopfern verloren. Selbst an Grundausrüstungen haperte es damals, und später lief der Nachschub noch schlechter. Allzu viele der Bauern-Soldaten, die aus den nichteuropäischen Teilendes Reiches kamen, hatten nicht einmal ein einsatzfähiges Gewehr und wussten oft auch nicht, wofür sie eigentlich kämpften. Zogen sie daher als treue, aber ahnungslose Untertanen von «Väterchen Zar» an die Front, neigten sie verständlicherweise dazu, diesen in erster Linie für die schweren Niederlagen verantwortlich zu machen, die die Armeen im Herbst 1914 und in den folgenden Jahren immer wieder erlitten. Auch erlebten sie die Inkompetenz, Rigidität und kostspieligen Fehler ihrer Offiziere häufig am eigenen Leibe.
Kein Wunder, dass sie wenig Neigung verspürten, bis zur letzten Patrone zu kämpfen. Sah es an ihrem Frontabschnitt mulmig aus, ergaben sie sich rechtzeitig und in der Hoffnung, als Kriegsgefangene besser behandelt zu werden. So geschah es, dass immer wieder Hunderttausende von Soldaten schlicht kapitulierten, wenn dies nach der militärischen Lage ratsam schien. Hinzu kam ein weiteres Phänomen: die soziale Distanz zwischen Offizieren einerseits, die oft aus dem Landadel stammten und die die rücksichtslose Härte gegen ihre Untergebenen für eine Tugend hielten, und den Mannschaften andererseits, die durch diese Behandlung an die Großgrundbesitzer erinnert wurden, die die russischen Bauern vor 1914 geschurigelt hatten. So kann man ohne weiteres verstehen, warum die Kampfmoral des einfachen Soldaten, die nie sehr groß gewesen war, angesichts wiederholter Niederlagen bis Ende 1916 fast auf den Nullpunkt gesunken war.
Diese Stimmungen übertrugen sich früher oder später auf ihre Familien in den
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