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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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einem Ballon unter dem Meer zusammenrotten, warten auf ein Erdbeben. Sie wollen geradezu ertrinken.“ Er blies auf die heiße Suppe, damit sie sich abkühlte.
    „Das kannst du nicht beweisen, Larry.“
    „Vielleicht kann ich es wirklich nicht, Gorilla, aber es ist doch logisch. Die Statistiken, in denen die Leute erfaßt werden, die bei großen Katastrophen, kleinen Unfällen und psychosomatischen Erkrankungen umkommen, weisen das gleiche Muster auf wie die von Selbstmördern.“
    „Du meinst, daß Leute, die bei Unfällen sterben, sterben wollten?“
    „Die einzigen, die die schlimmsten Katastrophen überleben, sind gesellige, aktive Leute, die man überall und nirgends antreffen kann, die Freunde haben und Pläne schmieden.“ Er rutschte ein Stück zur Seite, um dem Schein der heißen Sonne zu entgehen.
    „Die Leute langweilen sich nicht“, warf ich ein und bewegte mich unbehaglich. „Sie planen ihre Zukunft. Was versuchst du mir zu sagen, Larry? Daß alle Tode Selbstmorde sind?“
    „So was Ähnliches.“
    „Wenn ich mir nun eine Kanone schnappen und dich erschießen würde, wäre es dann Selbstmord, wenn du nicht …“ Mir fehlten die Worte. Ich stellte die leere Kaffeetasse vor mir ins Gras.
    „Soweit würde ich dich schon nicht treiben, Großer Meister“, sagte Larry erheitert. „Ich bin heute nicht in Selbstmordstimmung.“
    Ein Eichelhäher flog über die Wiese, landete auf einem niedrigen Ast und krähte. Er war von einem so hellen Blau wie der Himmel.
    Vielleicht war Larry doch verrückt. Kracken, der alte Wirtschaftler, war bestimmt verrückt gewesen, auch wenn er das genaue Gegenteil von Larry war. Aber wenn Kracken einen Sprung in der Schüssel hatte, bewies das noch nicht, daß Larry gesund war.
    Ich streckte meine Fühler aus. Ruhig, in einer Art liebender Suche, um jemanden zu … zu befreien … den großen, liebenden Vorfahr aus dem Inneren der Maschine … der hinter dem Robotergesicht im Inneren des eisernen Körpers steckte, der das liebende, freundliche, schöpferische Wesen verbarg – ein Wesen, das nicht sprechen konnte und die Gesetze nicht kannte, die aus einem menschlichen Gesicht ein maschinenhaftes machen … Gesetze sind die Axt, die einem entgegengestreckt wird, wo einen warme Finger berühren sollten …
    Die Schicht war sehr dick. Auf ihrer Oberfläche tanzte ein teuflischer, stichelnder Funke aus flinken Gedanken, der andere zur Gewalt anstiftete; zur Gewalt gegen Larry, zur Gewalt gegen das Leben, denn die Gewalt war real, sie berührte einen mit einem warmen, heißen Gefühl. Der Gedanke war der verrückten, kleinen, kraushaarigen Nicholi ähnlich; ein simpler, tierischer Impuls. (Sorg dafür, daß sie sich wie Menschen verhalten, Ärger ist nur natürlich, real, Freundlichkeit ist Maske, hab’ ich nie gesehen, gibt es gar nicht.)
    Ich konnte auf den Gefühlen mitschwingen, aber Nicholi fing immer an, die anderen zu Kämpfen aufzustacheln oder unternahm den Versuch, vergewaltigt zu werden. Die Resultate ergaben keinen Sinn. Von Larry glaubte man, er sei schlauer oder auf jeden Fall nicht so kindisch-verrückt. Ich bewegte mich unbehaglich und brach den Kontakt zwischen seinen und meinen Gefühlen ab. Sein Geschichtswissen war immer überraschend hoch, wenn er es erklärte. Von seinen Plänen sprach er nie. Ich vermutete, daß seine Pläne ebenso brillant waren wie seine Geschichtsstunden, aber sicher war ich mir nicht. Er dachte einfach zu schnell und zu kompliziert, als daß ich ihm hätte folgen können. Ich hatte angenommen, er sei ein brillanter Kopf mit brillanten Plänen für die Zukunft der Welt, aber …
    „Larry, was ist mit den Kindern in den beiden Kuppeln? Sie haben sich ihre Umgebung doch nicht aussuchen können. Einige von ihnen sind auch gestorben. Willst du mir etwa einreden, auch das seien Selbstmorde gewesen?“
    In seinem Kopf tat sich was. „Ich bin einer von ihnen“, sagte er mit unheimlicher Stimme. „Ich bin schon ziemlich lange tot.“ Er stand auf, bewegte seine Glieder, entspannte sich leichtfüßig, wie eine Katze, und redete gewandt und in einem praktischen Tonfall weiter, als hätte er die letzte Bemerkung nie gemacht.
    „Tut mir leid, George, aber Kinder und Tode können wir nicht diskutieren. Ich habe nicht vor, in dieser Woche ein Ding zu drehen. Ich will auch nicht, daß du mir wegen meines Geredes an die Kehle fährst.“
    „Aber diese Kinder …“
    „Waffenstillstand, George, Waffenstillstand für eine Woche, erinnerst du

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