Der Esper und die Stadt
der Mitte des Raumes wurden zu zweidimensionalen Abbildungen an der Wand.
Larry kam aus einer der Herrentoiletten der U-Bahn und hatte sein Hemd ausgezogen. Sein Gesicht und seine Haare waren schwarz. Er hielt eine Sprühdose in der Hand und blieb stehen. Seine Augen waren eng zusammengezogen.
„Nicholi, kannst du mir mal die Stelle besprühen, die ich verpaßt habe?“ fragte er.
Nicholi nahm gehorsam die Sprühdose. „Das ist ein Haarfärbemittel.“ Sie las überrascht das Etikett, dann besprühte sie Larrys Ohrlöcher und machte auch sie schwarz.
„Haarfärbemittel sind ausgezeichnet.“ Larry blieb stehen und schnitt ein paar Grimassen, während die Farbe trocknete. Seine Gesichtshaut warf mit jeder Grimasse ein paar Falten, die blieben, wenn er wieder normal schaute. Sie machten ihn älter. „Jetzt Rücken und Arme.“ Er drehte sich langsam um und spreizte die Finger, als Nicholi ihm Brust, Arme und Hände dunkelbraun einsprühte. Sein Haar wurde wellig und kraus, als es trocknete. Er strich sich mit den Fingern über den Kopf, und sein Haar wurde zu einer überraschend krausen Bürste.
Die anderen standen fasziniert auf, umringten ihn und sahen seiner Verwandlung zu. Der fünfzehnjährige, blonde Junge war verschwunden. An seiner Stelle stand jetzt ein magerer, alter Schwarzer, der aussah wie ein unterernährter Buschmann. Viele erwachsene Afrikaner sahen so aus, wenn sie in einer Hungerzone groß geworden waren.
„Deine Ohren stehen ab“, sagte Weeny kritisch. „Sie werden dich an deinen Ohren erkennen.“
„Kaugummi“, sagte der kleine alte Neger, „hat jemand Kaugummi da?“
Perry nahm ein Stück Kaugummi aus dem Mund, das man dazu benutzte, Larrys abstehende Ohren eng an seinen Schädel zu kleben. Jetzt, wo sie an seinem Kopf anlagen, sahen sie gleich kleiner aus.
Die anderen bewunderten seine Veränderung. Der kleine, dunkelhäutige Gentleman hatte nun überhaupt keine Ähnlichkeit mehr mit dem flüchtigen, steckbrieflich gesuchten Fünfzehnjährigen.
Nicholi klatschte in die Hände und tanzte um die anderen herum. „Laßt uns rausgehen! Laßt uns rausgehen – Larry soll einen Polizisten ansprechen und ihn nach dem Weg fragen. Kein Mensch wird dich erkennen, Larry!“
Jack sagte: „Wir sollten George auch einsprühen.“
„Nein. Er kann nicht auch noch als Schwarzer gehen.“ Larry schob die Sprühdose weg. „Man sucht nach zwei Leuten, nach einem Großen und einem Kleinen. Wenn die Bullen zwei Schwarze sehen, auf die die Beschreibung paßt, fangen sie womöglich an nachzudenken.“
Der Fernsehapparat lief weiter, aber niemand hörte zu, denn alle waren damit beschäftigt, sich eine Verkleidung für mich auszudenken, in der mich niemand erkannte. Ich starrte auf den Bildschirm und versuchte die Bilder zu vergessen, die mich als Verbrecher hingestellt hatten.
„Ein Anwaltsbüro, das einen Stamm von Pajute-Indianern vertritt, hat in letzter Minute eine einstweilige Verfügung gegen das Vorhaben erwirkt, die Deiche des Golfs von Kalifornien zu öffnen, um zwecks Fertigstellung des Saltonsee-Projekts den Ozean einzulassen. Das Wasser wird landeinwärts fließen und durch die Prähistorischen alten Kanäle bergab laufen.“ Das Bild zeigte Kanäle, die an mehreren neuen Dämmen die Wasserturbinen speisten. „Das Meer wird den Wasserspiegel des Laguna-Salta-Binnensees heben, einen Teil des Obstanbaugebiets von Imperial Valley überfluten und den Wasserspiegel des Saltonsees auf etwa neunzig Meter unter dem Meeresspiegel anheben.“
Larry kam mit einer Wachssprühdose auf mich zu.
„Halt still, George; mach die Augen zu.“ Ich machte die Augen zu und hörte auf, den Fernseher anzustarren.
„Die ganze Welt hat mich im Fernsehen gesehen“, sagte ich. „Jetzt werden alle glauben, ich hätte bei der Vernichtung der Brooklyn-Kuppel mitgemacht.“
„Ja, den Eindruck konnte man kriegen, nicht?“ sagte Larry und sprühte mein Gesicht mit einem kühlen, hart werdenden Zeug ein. „Schneid mal ein paar Grimassen und zieh die Wangen ein. Das Wachs wird dir ’ne Menge Falten verschaffen.“
Wir gingen raus und liefen herum, ohne daß uns jemand anhielt. Die Verkleidung wirkte.
Ich ging in den Tunnel runter und hörte Gehämmer und Anweisungen. Vor mir waren drei Bandenmitglieder damit beschäftigt, eine Wand in den Tunnel zu ziehen, um ihn in Räume aufzuteilen. Ich schob mich durch die Türöffnung und duckte mich vor ein paar Flüchen und grinsend geschwundenen
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