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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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einen Wahrscheinlichkeitstest.“
    „Hallo“, sagte ich unsicher.
    Einer eilte an die Tastatur eines kleinen Computers, tippte Zahlen ein, gab der Maschine ein paar Anweisungen und ließ sie laufen.
    Der andere sah ihm gespannt zu.
    „Hallo?“ wiederholte ich und fragte mich, ob ich ihnen auch einfach zusehen sollte.
    Die Maschine spuckte einen Bogen Papier aus.
    „Null Komma acht“, sagte der jüngere der beiden und schwenkte das Blatt hin und her. Er wirkte wie ein kleiner Troll, der einen Ziegenbock imitiert.
    „Hopst ihr Burschen immer so rum, wenn ihr nachdenkt?“ fragte ich grinsend. Ich dachte an Ann und ihre kleine Studentenbude. Sie drehte sich immer im Kreis; wahrscheinlich deswegen, weil ihre Bude zu klein war, um darin herumzulaufen oder zu hopsen.
    „Warum nicht?“ fragte der Ältere abwehrbereit. „Was wünschen Sie?“
    „Ich bin George Sanford. Man hat mich geschickt, damit ich euch helfe.“ Ich griff in die Tasche, suchte nach meinem Einsatzbefehl.
    „Was tun Sie denn?“ Die beiden kamen auf mich zu und peilten mich durch ihre dicken Brillengläser neugierig an.
    „Ich … äh … spüre Leute auf.“
    „Oh, der Telepath? Ja, wir brauchen Ihre Hilfe, um Trends im Bevölkerungsfluß vorhersagen zu können. Die Überlebenden der Kuppelkatastrophen haben unsere ganze Arbeit über den Haufen geworfen. Die Leute vom Verkehr sagen, daß ihre Fahrpläne völlig im Eimer sind und sie bessere Vorhersagen brauchen.“
    „Ja“, sagte der Jüngere mit dem schütteren Haar. „Können Sie uns helfen?“
    „Helfen? Wobei?“
    „Dabei vorherzusagen, was der Durchschnittsmensch so den ganzen Tag über in seiner Freizeit treibt“, sagte der Ältere. Er war schon kahl. „Ich heiße Ben.“ Er reichte mir steif die Hand und schüttelte die meine.
    „Ich heiße Joe.“ Auch der Jüngere schüttelte mir die Hand. Er war nervös und ließ sie schnell wieder los. „Sind Sie ein Durchschnittsmensch?“ „Keine Ahnung.“
    „Ich meine, machen Sie dasselbe wie die anderen Leute? Wenn Sie an den Strand gehen wollen, stellen Sie dann fest, daß alle anderen sich auch dort aufhalten? Wenn Sie mit der Subway fahren – ist dann immer alles gerammelt voll, egal wohin Sie fahren wollen?“
    „Nein, meistens ist sie leer. Ich treffe nicht viele Leute.“
    Joe sagte zu Ben: „Wie kann er das Verhalten von Durchschnittsmenschen vorhersagen, wenn er selbst keiner von ihnen ist?“
    „Wir haben nicht um die Hilfe eines Durchschnittsmenschen gebeten“, sagte Ben, „sondern um einen Telepathen, der weiß, wo die Leute stecken.“
    „Wenn wir einen Durchschnittsmenschen hätten“, sagte Joe, „brauchten wir nur aufzupassen, wohin er geht – und da müßten dann auch die anderen sein.“
    „Aber wir brauchen jemanden“, sagte Ben, „der Bevölkerungsströme vorhersagen kann.“
    „Dann brauchen wir erst recht einen Durchschnittsmenschen; jemanden, der als erster losgeht. Wir könnten ihn mit einem Sender ausstatten und Verkehrsvorbereitungen treffen, bevor die Masse seinem Beispiel folgt“, sagte Joe.
    Ben sagte: „Einspruch. Er könnte sich ein Bein brechen. In Wirklichkeit brauchen wir eine ganze Gruppe, einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt: Männer, Frauen und Kinder.“ Er ging auf und ab und warf dabei kleine, gelbe Pillen in seinen Mund. „Wie kommen wir an die heran?“
    Ein bißchen von dem, was sie zu tun versuchten, verstand ich. „Ich kenne da ein Mädchen“, sagte ich. „Immer, wenn sich irgendwo eine große Menschenmenge ansammelt, sagt sie, ist sie die erste, die sieht, wie es losgeht. Sie mag Menschenmengen und Lärm und sieht sich gern wichtige Leute an.“
    „Wo ist sie jetzt?“
    „Abgereist. Hat ihre Jugendrente bekommen.“
    „War sie eine Führernatur? Sind die Leute ihr hinterhergelaufen?“
    „Nein. Sie war ein bißchen daneben; lief nur hinter anderen Leuten her.“
    Joe fing wieder mit seinem Gehopse an. „Eine Mitläuferin, eine Empathin wie Sie, aber ohne etwas zu tun. Sie hat die Gedanken und Pläne der Leute aufgefangen, die irgendwo hingehen wollten, und war deswegen immer als erste da, weil sie keinen Job hatte, der sie aufhielt. Ein Schaf, wenn auch ein schnelles. Stimmt’s, George?“
    „Kann sein.“ Es gefiel mir nicht, daß er jemanden als Schaf bezeichnete.
    „Wo kriegen wir ein schnelles Schaf her, Ben?“ fragte Joe.
    „Wer war der erste bei großen Menschenansammlungen? Fragen wir den Computer.“
    „Der wird’s auch nicht wissen.

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