Der Esper und die Stadt
so weiter. Es kam vor, daß Menschen mit einem schwachen Herzen in diesen Schocktherapieräumen starben.“
Ich hörte ein Brausen in meinen Ohren und sah weiß. Ich schlug nervös die Fäuste gegeneinander, aber so kann man die Pflicht auch nicht abschütteln. Man möchte zuschlagen, obwohl man weiß, daß das gar nichts bewirkt.
Meine Stimme war plötzlich kaum noch zu hören, nur noch ein Flüstern: „Und wer hat solche Krankenhäuser geführt? Azteken? Sadisten?“
„Nun ja.“ Ahmed lehnte sich zurück. „Als die Zeit dann kam und man die Persönlichkeitstypen aussortierte, fand man heraus, daß die meisten Menschen, die in solchen Krankenhäusern tätig waren, zur Gruppe der Sadomasochisten gehörten. Jetzt haben die Computersysteme alle Sadisten und Sadomasochisten aussortiert, und sie können in allen Städten in eigenen Kommunen leben. Jetzt bleiben sie aus dem Krankenhausdienst raus. Du siehst also, George, das Auswahlsystem hilft.“
Ich schaute auf den Tisch. „Yeah. Okay, red nicht mehr darüber. Es sind wirklich nette Burschen in den Bruderschaften. Ich würde jeden umbringen, der …“ Ich schwitzte und fürchtete mich bei dem Gedanken, daß ich diese mir unbekannten Leute aus den vierziger Jahren, die Sanatorien betrieben hatten, ermorden könnte.
Ahmed musterte mich durchdringend. „Umbringen. Du hast es ausgesprochen, George. Das Zusammenleben von Gleichgesinnten hat den Hordengedanken wieder aufleben lassen. Die Horde beschützt ihresgleichen mit einem selbstmörderischen Tötungsdrang. Ein Löwe würde einen Pavian schon deswegen nicht angreifen, weil er weiß, daß zwanzig andere liebend gern bereit sind, sich selbst zu opfern, bloß um ihm zu zeigen, daß er die Krallen von ihnen zu lassen hat. Wir leben wieder in primitiven Stammesgemeinschaften. Nach zwanzig Millionen Jahren tierischer und menschlicher Evolution und des Jagens und Tötens in Rudeln haben wir den Kreis geschlossen. Es macht Spaß, Instinkten zu folgen. Und dem Spaß können die Leute nicht widerstehen.“ Ahmed stand auf. Er war am Ende seiner Erklärung angelangt. „Deswegen müssen wir äußerst auf der Hut sein, wenn irgendwelche Leute versuchen, zwischen den Kommunen Krieg zu entfachen. Es kann sehr schnell Wirklichkeit werden, zu schnell. Und ein Kampf würde ihnen Spaß machen.“
Wir gingen raus und marschierten auf das Hauptquartier der Rettungsbrigade zu.
„Aber warum geschieht es dann nicht?“ fragte ich. „Ich habe noch kein Wort davon gehört, daß die Kommunen einander bekämpfen.“
„Es geschieht. Man bringt es bloß nicht in den Nachrichten. Die Regierung stoppt alle Lebensmittellieferungen, wenn solche Kämpfe ausbrechen. Sie schneidet diese Kommunen von der Wasser- und Energieversorgung ab, bis ihre Ratsversammlungen jeden festnehmen und bestrafen, der sich an Auseinandersetzungen beteiligt hat. Wenn solche Fälle in den Zeitungen stehen, sind sie in der ödesten Bürokratensprache abgefaßt und nur an Stellen zu finden, wo man sie nicht erwartet. Leute, die sich von solchen Meldungen aufreizen lassen könnten, finden sie meist gar nicht. Deswegen können sie sich an solchen Kriegen auch kaum beteiligen.“
„In Ordnung, ich kann ja verstehen, warum du nicht willst, daß Larry auf diese Weise über die Techniker redet. Aber was ist, wenn er die Wahrheit sagt? Was ist, wenn die Techs wirklich versuchen, die … die …“
Ahmed zuckte die Achseln. „Einiges von dem, was er sagte, ergibt schon Sinn.“
„Und warum tust du dann so, als wäre er verrückt, wenn du in seinem Gerede einen Sinn erkennst?“
„Bei Psychotikern achtet man nicht auf das, was sie sagen, sondern auf das, was sie tun.“ Ahmed reckte sich. „Aber laß uns jetzt an die Arbeit gehen und später darüber reden.“
Wir fuhren mit dem Lift in den achten Stock.
„Ahmed, hat Larry was auf dem Kasten?“
„Sein Gerede ist nichts als Kriegsgeschrei. Er benutzt es als Entschuldigung, damit er in einem Krieg General spielen kann.“
„Aber hat er was auf dem Kasten?“ Nachdem wir an der Rezeption unsere Namen genannt hatten und die Empfangsdame auf unsere getippten Befehle wartete, blieben wir stehen.
„Er ist gerissener als ich. Aber er irrt sich.“
Unsere Formulare trafen ein. Ahmed las meinen Befehl zuerst. „Die Rettungsbrigade hat einen Auftrag für dich, der sich vernünftig anhört. Man hat ein Zwei-Mann-Unterseeboot bereitgestellt, um die beiden zerstörten Untersee-Kuppeln abzusuchen. Du sollst dich
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